G. W. Plechanow

Zur Frage der Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung

* * *

Beilage II

Einige Worte an unsere Gegner

In letzter Zeit ist in unserer Literatur wieder die Frage aufgeworfen worden, welchen Weg die ökonomische Entwicklung Russlands einschlagen werde. Über diese Frage wird viel und hitzig geredet, so hitzig, dass sogar Menschen, die als vernünftig bekannt sind, von dem angeblich übermäßigen Eifer der Streitenden bestürzt sind: Warum soll man sich erregen, den Gegnern stolze Herausforderungen oder bittere Vorwürfe an den Kopf schleudern und sich über sie lustig machen, sagen die Vernünftigen, ist es nicht besser, die Frage, die für unser Land tatsächlich von ungeheurer Wichtigkeit ist, kaltblütig zu betrachten, da sie gerade infolge ihrer ungeheuren Wichtigkeit eine kaltblütige Untersuchung erfordert?

Wie es immer zu sein pflegt, die vernünftigen Menschen haben zu gleicher Zeit recht und unrecht. Warum erregen und ereifern sich Schriftsteller, die zwei verschiedenen Lagern angehören, von denen jedes – mögen seine Gegner sagen, was sie wollen – nach dem Maß seiner Auffassung, seiner Kraft und seiner Möglichkeit bestrebt ist, die wichtigsten, aktuellsten Interessen des Volkes zu vertreten? Anscheinend genügt es, diese Frage zu stellen, um sie unverzüglich ein für allemal mit Hilfe von zwei, drei Sentenzen zu lösen, die sich für jede Schreibvorlage eignen, wie: Toleranz ist eine wunderschöne Sache; fremde Ansichten muss man auch dann achten, wenn sie den unsrigen radikal entgegenstehen, usf. ... Das alles ist durchaus richtig und wurde alles schon seit langem „der Welt gepredigt“ Nicht weniger richtig ist es auch, dass sich die Menschheit jedes Mal, wenn es sich um ihre wesentlichen Interessen handelt, ereiferte, ereifert und ereifern wird. Das ist nun einmal die menschliche Natur, würden wir sagen, wenn wir nicht wüssten, wie häufig und in welchem Maße man diesen Ausdruck missbraucht hat. Das ist aber noch nicht alles. Die Hauptsache ist, dass die Menschheit auch keinen Grund hat, ihre so geartete „Natur“ zu bedauern. Kein einziger großer Schritt in der Geschichte wurde je ohne Leidenschaft getan, die die moralischen Kräfte verzehnfacht und die geistigen Fähigkeiten der Handelnden verfeinert und selber eine große fortschrittliche Kraft ist. Kaltblütig werden nur solche gesellschaftlichen Fragen besprochen, die an und für sich gar nicht wichtig oder noch nicht zu aktuellen Fragen eines Landes und einer Epoche geworden sind und darum nur eine Handvoll von Stubengelehrten interessieren. Sobald aber diese oder jene große gesellschaftliche Frage auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, erweckt sie unbedingt große Leidenschaften, mögen die Anhänger der Mäßigung noch soviel über Kaltblütigkeit schreien.

Die Frage der ökonomischen Entwicklung unseres Landes ist gerade jene große gesellschaftliche Frage, die bei uns jetzt aus dem einfachen Grunde nicht mit Mäßigung beraten werden kann, weil sie zum dringendsten Tagesordnungspunkt geworden ist. Das heißt natürlich nicht, dass die Ökonomie erst jetzt entscheidende Bedeutung in unserer gesellschaftlichen Entwicklung erlangt habe. Diese Bedeutung hatte sie stets und überall. Doch wurde bei uns, wie überall, diese Bedeutung von jenen Menschen, die sich für gesellschaftliche Angelegenheiten interessierten, nicht immer bewusst empfunden, und darum konzentrierten diese Menschen die Kräfte ihrer Leidenschaft auf Fragen, die die Ökonomie nur sehr entfernt berührten. Denken Sie doch an unsere vierziger Jahre. Jetzt ist das anders. Jetzt wird die grundlegende, gewaltige Bedeutung der Ökonomie bei uns selbst von jenen empfunden, die sich leidenschaftlich gegen die „engstirnige“ Marxsche Geschichtstheorie auflehnen. Jetzt sind sich alle denkenden Menschen dessen bewusst, dass sich unsere gesamte Zukunft danach formen wird, wie sich unsere ökonomische Entwicklung entscheidet. Darum konzentrieren selbst die keineswegs „engstirnigen“ Denker die gesamte Kraft ihrer Leidenschaft auf diese Frage. Wenn es uns jetzt auch unmöglich ist, diese Frage mit Mäßigung zu besprechen, so wollen und müssen wir uns darum kümmern, dass weder bei der Fixierung unserer eigenen Gedanken noch in unseren polemischen Methoden Disziplinlosigkeit aufkommt. Gegen diese Forderung ist absolut nichts einzuwenden. Die Menschen des Westens wissen sehr gut, dass ernste Leidenschaft jede Disziplinlosigkeit ausschließt. Zwar glaubt man bei uns manchmal noch, Leidenschaft und Disziplinlosigkeit seien leibliche Schwestern, aber es ist auch für uns an der Zeit, uns zu zivilisieren.

Hinsichtlich des literarischen Anstandes haben wir uns offenbar schon bedeutend zivilisiert – so bedeutend, dass unser „führender“ Mann, Herr Michailowski, den Deutschen (Marx, Engels, Dühring) Vorhaltungen macht, dass man bei ihnen in der Polemik Dinge finden könne, die entweder völlig unzweckmäßig seien oder sogar alles entstellten und durch ihre Grobheit abstoßend wirkten. Herr Michailowski erwähnt Börnes Bemerkung, die Deutschen seien „in der Polemik immer grob gewesen“!

„Ich fürchte“, fügt er hinzu, „dass zusammen mit anderen deutschen Einflüssen zu uns auch diese traditionelle deutsche Grobheit gelangen und, durch unsere eigne Wildheit verstärkt, polemische Formen annehmen könnte, wie sie Graf Tolstoi der Zarentochter gegenüber Potok-Bogatyr in den Mund legt:

,Du Gauner, Idiot, du ungehobelter Kerl!
Wie ein Horn, so krumm sollst du werden!
Schweinehund, Kalb, Saustück, Mohr,
Teufelssohn, ungewaschne Schnauze!
Wenn meine jungfräuliche Scham
Mir nicht manches Wörtchen verbieten würde,
Könnte ich dich, du Schuft, du Frechdachs,
Noch ganz anders beschimpfen!‘“ [A]

Herr Michailowski erwähnt Tolstois unschickliche Zarentochter hier nicht zum ersten Mal. Schon mehrfach empfahl er den russischen Schriftstellern, ihr in der Polemik nicht nachzueifern. Der Ratschlag ist unbestreitbar gut. Schade nur, dass unser Verfasser selber ihn nicht immer befolgt hat. So bezeichnete er einen seiner Gegner bekanntlich als Wanze, einen anderen als literarischen Akrobaten. Seine Polemik gegen Herrn de la Cerda schmückte er mit folgender Bemerkung: „ Das Wort la cerda hat unter allen europäischen Sprachen nur im Spanischen einen bestimmten Sinn und bedeutet, ins Russische übersetzt, das Schwein.“ Es ist schwer zu verstehen, was der Verfasser mit dieser Bemerkung bezweckt.

„Ist das nicht nett?“ fragte aus diesem Anlass Herr de la Cerda. Tatsächlich, das ist nett und ganz im Stil der Tolstoischen Prinzessin. Nur war die Prinzessin freimütiger, und wenn sie schimpfen wollte, schrie sie einfach: Schweinehund, Kalb, Saustück usw., ohne fremde Wörter zu vergewaltigen, um dem Gegner eine Grobheit zu sagen.

Bei einem Vergleich des Herrn Michailowski mit Tolstois Prinzessin stellt es sich heraus, dass er auf „Mohren“ und „Teufelssöhne“ verzichtet und, wenn man so sagen darf, dickhäutige Epitheta bevorzugt. Bei ihm trifft man auf „Säue“ und „Schweine“ verschiedenster Art: hamletisierte, grüne usw. Zwar ist das etwas eintönig, aber kräftig. Wenn wir uns ganz allgemein vom Kraftwortschatz der Tolstoischen Zarentochter dem Wortschatz unseres subjektiven Soziologen zuwenden, entfalten sich vor unseren Augen die Schönheiten anderer Bilder; jedoch stehen diese Schönheiten keineswegs hinter den polemischen Qualitäten der munteren Prinzessin zurück. „‚Est modus in rebus‘ oder, auf russisch, jetzt ist es aber genug!“ sagt Herr Michailowski. Das ist nicht mehr als richtig, und wir bedauern von ganzem Herzen, dass unser ehrwürdiger Soziologe es so häufig vergisst. Er kann über sich selbst in tragischem Tonfall sagen:

„... Video meliora, proboque,
Deteriora sequor!“ [1]

Man muss jedoch hoffen, dass sich auch Herr Michailowski mit der Zeit zivilisieren wird, dass die guten Absichten bei ihm schließlich über „unsere eigene Wildheit“ die Oberhand behalten werden und er aufhören wird, seinen Gegnern „Säue“ und „Schweinehunde“ an den Kopf zu werfen. Herr Michailowski selbst denkt mit Recht, dass la raison finit toujours par avoir raison. [2] Die Leser sind bei uns jetzt nicht für scharfe Polemik. Aber in ihrer Missbilligung verwechseln sie Schärfe mit Grobheit, was bei weitem nicht ein und dasselbe ist. Schon Puschkin hat den großen Unterschied zwischen Schärfe und Grobheit festgestellt:

„Manches Schimpfen ist natürlich unanständig.
Man kann nicht schreiben: Der und der Alte
Ist ein bebrillter Bock, ein fieser Verleumder,
Er ist bösartig und gemein – das alles ist persönlich.
Doch kann man zum Beispiel drucken lassen:
dass ‚der Herr Altgläubige vom Parnass
(in seinen Artikeln) des Unsinns Redner,
Außerordentlich träge, besonders langweilig ist,
Schwerfällig und sogar beschränkt’.
Das ist nichts Persönliches, das ist Literatur.“

Sollte es Ihnen einfallen, Ihren Gegner in der Art der Tolstoischen Prinzessin oder des Herrn Michailowski „Sau“ oder „Wanze“ zu nennen, so „wäre das persönlich“ ; wenn Sie aber beweisen, dass dieser oder jener soziologische, historiosophische oder ökonomische Altgläubige in seinen Artikeln, „Werken“ oder „Essays“ außerordentlich träge, besonders langweilig und sogar ... beschränkt sei, so ist das „nichts Persönliches, das ist Literatur“, so ist das Schärfe und keine Grobheit. Sie können sich in Ihrem Urteil natürlich täuschen, und Ihre Gegner tun gut, wenn sie Ihren Fehler aufdecken. Vorwerfen dürfen sie Ihnen aber nur Ihren Fehler, keinesfalls Ihre Schärfe, da die Entwicklung der Literatur auf eine solche Schärfe nicht verzichten kann. Sollte es der Literatur einfallen, auf sie zu verzichten, so würde sie sich, nach einem Ausdruck Belinskis, sofort in eine liebedienerische Wiederholerin von Gemeinplätzen verwandeln, was ihr nur ihre Feinde wünschen könnten. Herrn Michailowskis Ausführungen über die traditionelle deutsche Grobheit und über unsere eigene Wildheit wurden durch N. Beltows interessantes Buch Zur Frage der Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung hervorgerufen. Herrn Beltow wurde von vielen übermäßige Schärfe vorgeworfen. So sagte zum Beispiel der Rezensent der Russkaja Mysl über sein Buch:

„Ohne der unserer Ansicht nach einseitigen Theorie des ökonomischen Materialismus beizupflichten, wären wir im Interesse sowohl der Wissenschaft als auch unseres gesellschaftlichen Lebens bereit, die Vertreter dieser Theorie zu begrüßen, wenn nicht einige von ihnen (die Herren Struve und Beltow) übermäßige Schärfe in ihre Polemik hinein trügen, wenn sie nicht Schriftsteller verhöhnten, deren Werke Achtung verdienen.“

Das schreibt die gleiche Russkaja Mysl, die die Anhänger des ökonomischen Materialismus erst vor kurzem als „gefüllte Köpfe“ und das Buch des Herrn P. Struve als Produkt unverdauter Gelehrsamkeit und völliger Unfähigkeit zu logischem Denken bezeichnet hat. Die Russkaja Mysl liebt übermäßige Schärfe nicht, und darum hat sie, wie der Leser sieht, die Anhänger des ökonomischen Materialismus mit großem Zartgefühl behandelt. Jetzt ist sie im Interesse der Wissenschaft und unseres gesellschaftlichen Lebens schon bereit, die Vertreter dieser Theorie zu begrüßen. Warum sollten sie begrüßt werden? Können denn gefüllte Köpfe irgendetwas für das gesellschaftliche Leben tun? Könnte denn die Wissenschaft irgendetwas der unverdauten Gelehrsamkeit und der völligen Unfähigkeit zu logischem Denken abgewinnen? Wir glauben, dass die Russkaja Mysl von ihrer Furcht vor übermäßiger Schärfe zu weit geführt und gezwungen wird, Sachen zu sagen, die bei den Lesern den Verdacht erwecken könnten, sie selber sei nicht imstande, einiges zu verdauen, und sei des logischen Denkens unfähig.

Bei Herrn P. Struve finden sich überhaupt keine scharfen (geschweige denn übermäßig scharfen) Ausdrücke, und wenn sie sich bei Herrn Beltow finden, so nur in einer Art, von der Puschkin sicherlich gesagt hätte, dass sie Literatur seien und dass es darum durchaus gestattet sei, sie anzuwenden. Der Rezensent der Russkaja Mysl meint, dass die Werke jener Schriftsteller, über die Herr Beltow sich lustig macht, Achtung verdienen. Wenn Herr Beltow diese Ansicht teilte, wäre es seinerseits natürlich nicht gut, sie zu verhöhnen. Wie aber, wenn er vom Gegenteil überzeugt ist?

Wie, wenn die „Werke“ dieser Herren ihm sowohl langweilig als auch schwerfällig, völlig inhaltslos und sogar schädlich zu sein scheinen in unserer Zeit, da das komplizierte gesellschaftliche Leben neue Denkleistungen von allen jenen fordert, die, nach einem Ausdruck Gogols, „in der Nase bohrend“ die Welt betrachten. Dem Rezensenten der Russkaja Mysl erscheinen diese Schriftsteller vielleicht als wahre Leuchten, als rettende Leuchtfeuer. Wie aber, wenn Herr Beltow sie für Lichtlöscher und für einschläfernd hält? Der Rezensent wird sagen, Herr Beltow irre sich. Das ist sein gutes Recht, doch muss der Rezensent diese Ansicht beweisen und sich nicht mit einer Verurteilung „übermäßiger Schärfe“ begnügen. Welcher Meinung ist der Rezensent über Gretsch und Bulgarin? Wir sind überzeugt, dass, wenn er diese Meinung äußerte, ein gewisser Teil unserer Presse sie für übermäßig scharf halten würde. Soll das bedeuten, dass der Herr Rezensent der Russkaja Mysl nicht das Recht habe, offen seine Ansichten über die literarische Tätigkeit Gretschs und Bulgarins zu äußern? Wir stellen natürlich die Menschen, mit denen sich die Herren P. Struve und N. Beltow streiten, keinesfalls auf die gleiche Stufe mit Gretsch und Bulgarin. Wir fragen aber den Rezensenten der Russkaja Mysl, warum der literarische Anstand zwar scharfe Äußerungen über Gretsch und Bulgarin, nicht aber über die Herren Michailowski und Karejew gestatte? Der Herr Rezensent meint wohl, kein Tier sei stärker als die Katze, und darum verdiene die Katze eben im Vergleich zu anderen Tieren eine besonders ehrfurchtsvolle Behandlung. [3] Das lässt sich jedoch bezweifeln. So glauben wir zum Beispiel, dass die subjektive Katze nicht nur kein besonders starkes Tier ist, sondern sogar ein ziemlich entartetes, und dass sie darum keine besondere Ehrfurcht verdient. Wir sind bereit, mit dem Rezensenten, sofern er mit uns nicht einverstanden sein sollte, zu diskutieren; bevor wir jedoch die Diskussion eröffnen, bitten wir ihn, sich über den Unterschied Klarheit zu verschaffen, der zwischen einem scharfen Urteil und einem groben Ausdruck besteht. Die Herren Struve und Beltow haben Urteile geäußert, die sehr vielen als scharf erscheinen könnten. Hat sich aber einer von ihnen zwecks Verteidigung seiner Ansichten jemals erlaubt, zu derart grobem Geschimpfe Zuflucht zu nehmen, wie es Herr Michailowski, dieser Miles gloriosus [4] unserer „führenden“ Literatur, in seinen literarischen Plänkeleien öfter getan hat? Weder dieser noch jener hat sich das je erlaubt, und der Rezensent der Russkaja Mysl selber wird ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn er sich in den von uns hervorgehobenen Unterschied zwischen einem scharfen Urteil und einem groben Ausdruck hineindenkt.

Nebenbei, über den Rezensenten der Russkaja Mysl. Er sagt:

„Herr Beltow jedenfalls teilt unverfroren Beschuldigungen aus, der und der Schriftsteller spreche über Marx, ohne seine Werke gelesen, verurteile die Hegelsche Philosophie, ohne sie selbständig kennengelernt zu haben, usf. Dabei wäre es für ihn gut, selber keine Schnitzer zu machen, insbesondere in den wesentlichsten Fragen. Jedoch gerade über Hegel redet Herr Beltow völligen Unsinn. ‚Wenn die moderne Naturwissenschaft‘, lesen wir auf S. 86 des genannten Buches, ‚auf Schritt und Tritt Hegels genialen Gedanken vom Übergang der Quantität in Qualität bestätigt, kann man da sagen, sie habe mit dem Hegelianertum nichts gemein?‘ Ihr Unglück ist es nur, Herr Beltow, dass Hegel das niemals behauptet hat, sondern das Gegenteil lehrt: bei ihm geht ‚Qualität in Quantität über‘.“ [a]

Wenn wir diese Vorstellung des Herrn Rezensenten über Hegels Philosophie charakterisieren müssten, würde ihm unser Urteil sicherlich auch „übermäßig scharf“ erscheinen. Das wäre jedoch nicht unsere Schuld. Wir können dem Herrn Rezensenten versichern, dass alle, die seine Rezension gelesen haben und auch nur ein wenig mit der Geschichte der Philosophie vertraut sind, sehr scharfe Urteile über seine philosophischen Kenntnisse gefällt haben.

Man darf natürlich nicht von jedem Journalisten eine solide philosophische Bildung verlangen, man kann aber fordern, dass er sich kein Urteil über Dinge erlaube, die ihm unbekannt sind. Andernfalls werden Menschen mit Sachkenntnis stets sehr „scharf“ über ihn urteilen.

Im ersten Teil der Hegelschen Enzyklopädie, in einem Zusatz zu § 108, über das Maß, wird gesagt:

„Die im Maß vorhandene Identität der Qualität und der Quantität ist nur erst an sich, aber noch nicht gesetzt. Hierin liegt, dass diese beiden Bestimmungen, deren Einheit das Maß ist, sich auch eine jede für sich geltend machen, dergestalt, dass einerseits die quantitativen Bestimmungen des Daseins verändert werden können, ohne dass dessen Qualität dadurch affiziert wird, dass aber auch andererseits dies gleichgültige Vermehren und Vermindern seine Grenze hat, durch deren Überschreitung die Qualität verändert wird. So ist zum Beispiel der Temperaturgrad des Wassers zunächst gleichgültig in Beziehung auf dessen tropfbare Flüssigkeit: es tritt dann aber beim Vermehren oder Vermindern der Temperatur des tropfbar flüssigen Wassers ein Punkt ein, wo dieser Kohäsionszustand sich qualitativ ändert und das Wasser einerseits in Dampf und andererseits in Eis verwandelt wird. Wenn eine quantitative Veränderung stattfindet, so erscheint dies zunächst als etwas ganz Unbefangenes, allein es steckt noch etwas Anderes dahinter, und diese scheinbar unbefangene Veränderung des Quantitativen ist gleichsam eine List, wodurch das Qualitative ergriffen wird.“ [B]

„Ihr Unglück ist es nur, Herr Beltow, dass Hegel das niemals behauptet hat, sondern das Gegenteil lehrt!“ Denken Sie auch jetzt so, Herr Rezensent? [C] Oder haben Sie Ihre Meinung über diese Angelegenheit vielleicht geändert? Falls Sie Ihre Meinung geändert haben, worin besteht das Unglück jetzt? Wir könnten es Ihnen sagen, fürchten aber, dass Sie uns übermäßige Schärfe vorwerfen werden.

Wir wiederholen, man kann nicht von jedem Journalisten die Kenntnis der Geschichte der Philosophie erwarten. Darum ist das Unglück, das den Rezensenten der Russkaja Mysl getroffen hat, nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint. „Ihr Unglück ist es nur“, dass dieses Unglück des Herrn Rezensenten nicht das letzte ist. Das zweite Unglück ist schlimmer als das erste: Er hat sich nicht die Mühe gemacht, das von ihm rezensierte Buch durchzulesen.

Auf Seite 75 und 76 seines Buches bringt Herr Beltow ein längeres Zitat aus der Großen Logik Hegels (Wissenschaft der Logik). Das Zitat beginnt mit:

„Es hat sich aber gezeigt, dass die Veränderungen des Seins überhaupt nicht nur das Übergehen einer Größe in eine andere Größe, sondern Übergang vom Qualitativen in das Quantitative und umgekehrt sind“ usw. (S. 75). [b]

Wenn der Herr Rezensent dieses Zitat gelesen hätte, wäre ihm nicht das Unglück widerfahren, da er in diesem Falle nicht „behaupten“ würde, dass „Hegel das niemals behauptet hat, sondern das Gegenteil lehrt“.

Wir wissen, auf welche Art und Weise die meisten Buchbesprechungen in der russischen – und leider nicht nur in der russischen – Literatur zustande kommen. Der Rezensent blättert das Buch durch, überfliegt jede, sagen wir, zehnte oder zwanzigste Seite und bezeichnet die Stellen, die ihm als besonders charakteristisch erscheinen. Dann notiert er diese Stellen und versieht sie mit dem Ausdruck seiner Missbilligung oder Billigung – „ist befremdet“, „bedauert sehr“ oder „begrüßt von ganzem Herzen“ –, womit der Fall abgeschlossen und die Rezension fertig ist. Man kann sich denken, wie viel Unsinn auf diese Art gedruckt wird, insbesondere, wenn (wie es sich oft ergibt) der Rezensent keinen blassen Schimmer von dem Gegenstand hat, den das von ihm besprochene Buch behandelt!

Uns fällt es nicht im Traume ein, den Herren Rezensenten zu empfehlen, auf diese schlechte Gewohnheit gänzlich zu verzichten: Den Buckligen heilt erst das Grab. Dennoch müssten die Herren Rezensenten in ihrer Arbeit dort, wo es sich – zum Beispiel im Streit über die ökonomische Entwicklung Russlands – um wesentliche Interessen unserer Heimat handelt, etwas mehr Ernst an den Tag legen. Wollen sie etwa auch hier mit unbeschwertem Herzen fortfahren, die Leser mit ihren leichtfertigen Kritiken zu verwirren? Man muss eben eine Grenze kennen, wie Herr Michailowski mit Recht schließt.

Auch Herrn Michailowski gefallen die polemischen Methoden des Herrn Beltow nicht: „Herr Beltow“, sagt er, „ist ein befähigter Mensch und recht geistreich, leider geht diese Eigenschaft bei ihm häufig in unangenehme Narretei über.“ Warum denn Narretei? Wem ist denn diese angebliche Narretei des Herrn Beltow unangenehm?

Als sich die Zeitschrift Sowremennik in den sechziger Jahren, sagen wir, über Pogodin lustig machte, wird es Pogodin sicherlich vorgekommen sein, dass diese Zeitschrift in unangenehme Narretei verfalle. Es wird nicht einmal Pogodin allein so vorgekommen sein, sondern auch allen, die diesen Moskauer Historiker zu verehren pflegten. Hat man bei uns zu jener Zeit die „Ritter des Hexentanzes“ etwa wenig angegriffen? Hat man sich etwa nicht genug über die „Bubenstreiche der Pfeifer“ empört? Unserer Ansicht nach ging aber der glänzende Witz der „Pfeifer“ nie in unangenehme Narretei über; wenn die Menschen, über die sie sich lustig machten, anders dachten, so geschah das infolge jener menschlichen Schwäche, die Arnos Fjodorowitsch Ljapkin-Tjapkin [5] veranlasste, den Brief, in dem er als „im höchsten Grade ungezogen“ bezeichnet wurde, für „ungebührlich lang“ zu halten.

So also! So wollen Sie sagen, Herr Beltow sei so geistreich, wie es Dobroljubow und seine Mitarbeiter an der Zeitschrift Swistok [Der Pfiff] waren! Das ist aber nett! rufen jene Menschen aus, denen die polemischen Methoden des Herrn Beltow „unsympathisch“ sind.

Gedulden Sie sich, meine Herren. Wir wollen Herrn Beltow nicht mit den „Pfeifern“ der sechziger Jahre vergleichen, wir sagen nur, dass es nicht Herrn Michailowski zusteht, darüber zu urteilen, ob und wo der Witz des Herrn Beltow in unangenehme Narretei übergehe. Wer kann auch Richter in eigener Sache sein?

Herr Michailowski wirft Herrn Beltow jedoch nicht nur „unangenehme Narretei“ vor. Er bringt gegen ihn sehr ernste Beschuldigungen vor. Um dem Leser eine Orientierung in dieser Angelegenheit zu erleichtern, überlassen wir es Herrn Michailowski, diese Anklage selber und in seinen eigenen Worten vorzutragen.

„In einem meiner Aufsätze in der Russkaja Mysl erinnerte ich mich meiner Bekanntschaft mit dem verstorbenen N. I. Sieber und teilte unter anderem mit, dieser ehrwürdige Gelehrte habe in Gesprächen über die Geschicke des Kapitalismus in Russland ‚die verschiedenartigsten Argumente benutzt, sich aber bei der geringsten Gefahr unter den Schutz der unbestreitbaren und unanfechtbaren dreigliedrigen dialektischen Entwicklung gestellt‘.

Nachdem Herr Beltow diese meine Worte zitiert hat, schreibt er [c]: über N. Sieber ist zu sagen, dass wir mehr als einmal Gelegenheit hatten, mit dem Verstorbenen zu sprechen, aber nie hörten wir ihn sich auf die „dialektische Entwicklung“ berufen. Er sagte selbst mehrmals, dass ihm die Bedeutung Hegels für die Entwicklung der neuesten Ökonomie völlig unbekannt sei. Toten kann man natürlich alles in die Schuhe schieben, und somit ist die Aussage des Herrn Michailowski unwiderlegbar.‘ Ich will es anders sagen: nicht immer kann man alles den Toten zuschieben, und die Aussage des Herrn Beltow ist durchaus widerlegbar ...

Im Jahre 1879 wurde in der Zeitschrift Slowo ein Aufsatz Siebers unter dem Titel Die Dialektik in ihrer Anwendung auf die Wissenschaft veröffentlicht. Dieser (unvollendete) Aufsatz ist eine Wiedererzählung oder fast genaue Übersetzung des Engelsschen Buches Herrn Dührings Umwälzung der Wissenschaft. Dieses Buch aber zu übersetzen und ‚in Unkenntnis über die Bedeutung Hegels für die Entwicklung der neuesten Ökonomie‘ zu bleiben, wäre nicht nur für Herrn Sieber ein Kunststück, sondern selbst für den Potok-Bogatyr aus der obenangeführten polemischen Charakteristik seitens der Zarentochter. Ich glaube, das begreift Herr Beltow selbst. Für alle Fälle will ich jedoch einige Zeilen aus Siebers kurzem Vorwort anführen: ‚Engels’ Buch verdient besondere Beachtung sowohl hinsichtlich der Folgerichtigkeit und Sachlichkeit der in ihm angeführten philosophischen und gesellschaftlichen Begriffe als auch deshalb, weil es für die praktische Anwendung der Methode dialektischer Widersprüche eine Reihe neuer Veranschaulichungen und Tatsachenbeispiele gibt, wodurch die Bekanntschaft mit dieser so gerühmten und zugleich so geschmähten Methode zur Erforschung der Wahrheit wesentlich vertieft und gefördert wird. Offensichtlich könnte man sagen, dass dem Leser die sogenannte Dialektik zum ersten Mal seit ihrer Entstehung in einer derart realen Beleuchtung vor Augen geführt wird.‘

Somit war Sieber die Bedeutung Hegels für die Entwicklung der neuesten Ökonomie bekannt; Sieber interessierte sich sehr für die ‚Methode dialektischer Widersprüche‘. Das ist die urkundlich belegte Wahrheit, die die pikante Frage, wer hier für zwei lüge, voll und ganz löst.“ [D]

Wahrheit, besonders eine urkundlich belegte Wahrheit, ist eine schöne Sache! ... Im Interesse der gleichen Wahrheit setzen wir das von Herrn Michailowski begonnene Zitat aus N. Siebers Aufsatz Die Dialektik in ihrer Anwendung auf die Wissenschaft fort.

Sofort hinter den Worten, mit denen Herrn Michailowskis Zitat schließt, findet sich bei Sieber die Bemerkung:

„Im übrigen enthalten wir uns eines Urteils über die Exaktheit dieser Methode bei der Anwendung auf verschiedene Wissensgebiete sowie über die Frage, ob sie – soweit ihr wirkliche Bedeutung beigemessen werden kann – eine einfache Modifikation oder selbst den Prototyp der Methode der Evolutionstheorie bzw. der allgemeinen Entwicklung darstellt oder nicht. Der Verfasser betrachtet sie gerade in diesem letzteren Sinne oder bemüht sich zumindest mit Hilfe jener Wahrheiten, die durch die Evolutionstheorie aufgedeckt wurden, auf ihre Bestätigung hinzuweisen, wobei man zuzugeben nicht umhin kann, dass sich hier in gewissem Sinne eine bedeutende Ähnlichkeit zeigt.“

Wie wir sehen, ist der verstorbene russische Ökonom auch nach seiner Übersetzung des Engelsschen Buches Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft in Unkenntnis über die Bedeutung Hegels für die Entwicklung der neuesten Ökonomie und sogar über die Verwendbarkeit der Dialektik auf verschiedene Wissensgebiete überhaupt geblieben. Zumindest wollte er kein Urteil über sie abgeben. Nun fragen wir: Ist es wahrscheinlich, dass derselbe Sieber, der über die Verwendbarkeit der Dialektik überhaupt nicht zu urteilen wagte, sich in Diskussionen mit Herrn Michailowski „bei der geringsten Gefahr unter den Schutz der unbestreitbaren und unanfechtbaren dreigliedrigen dialektischen Entwicklung gestellt“ hat? Warum änderte Sieber nur in diesen Fällen seine sonst so feste Ansicht von der Dialektik? Vielleicht deshalb, weil die „Gefahr“, von seinem furchtbaren Gegner geschlagen zu werden, ihm zu groß erschien? Wohl kaum! Ein solcher Gegner konnte so manchem anderen „gefährlich“ werden, nicht aber Sieber, der über solides Wissen verfügte.

Tatsächlich, diese urkundlich belegte Wahrheit ist eine schöne Sache! Herr Michailowski hat ganz recht, wenn er sagt, sie löse voll und ganz die pikante Frage, wer hier für zwei lüge.

Wenn aber der in einer gewissen Person sich verkörpernde „russische Geist“ zur zweifellosen Entstellung der Wahrheit Zuflucht nimmt, begnügt er sich nicht mit einer einmaligen Entstellung; allein für den verstorbenen Sieber entstellt er sie zweimal: das erste Mal, indem er behauptet, Sieber habe sich unter den Schutz der Triade begeben, das andere Mal, indem er sich mit erstaunlicher Unverfrorenheit auf das gleiche Vorwort beruft, das auf die denkbar klarste Art zeigt, dass Herr Beltow recht hat.

Ach, Herr Michailowski, Herr Michailowski!

„Es wäre ein Kunststück, über Hegels Bedeutung für die Entwicklung der Ökonomie in Unkenntnis zubleiben, nachdem man Engels’ Buch Dührings Umwälzung übersetzt hat“, ruft Herr Michailowski aus. Ist das wirklich ein Kunststück? Unserer Ansicht nach keinesfalls. Nach der Übersetzung des genannten Buches wäre es wirklich ein Wunder gewesen, wenn Sieber ohne Kenntnis der Ansichten von Engels (und natürlich von Marx) über Hegels Bedeutung für die Entwicklung der genannten Wissenschaft geblieben wäre. Diese Ansichten waren Sieber bekannt, wie es sich von selbst versteht und wie aus seinem Vorwort hervorgeht. Aber Sieber konnte sich mit einer fremden Meinung nicht begnügen. Als ernster Wissenschaftler, der sich nicht auf fremde Meinungen verlässt, sondern einen Gegenstand an Hand der Urquellen zu studieren pflegt, hielt er – Engels’ Ansicht über Hegel kennend – sich nicht für berechtigt, zu sagen: „Ich kenne Hegel und seine Bedeutung für die Geschichte der Entwicklung wissenschaftlicher Begriffe.“ Vielleicht ist Herrn Michailowski diese Bescheidenheit eines Wissenschaftlers unverständlich; nach seinen eigenen Worten „erhebt er keinen Anspruch“ darauf, Hegels Philosophie zu kennen, urteilt dabei aber höchst ungeniert über sie. Aber quod licet bovi, non licet Jovi. [6] Herr Michailowski, der sein Leben lang nichts anderes war als ein flotter Feuilletonist, verfügt über die Unverfrorenheit, die den Männern dieses Standes etatmäßig zusteht. Er hat aber vergessen, welcher Unterschied zwischen ihnen und den Männern der Wissenschaft besteht. Infolge dieser Vergesslichkeit wagte er auch Dinge zu sagen, aus denen sich klar ergibt, dass der gewisse „Geist“ bestimmt „für zwei“ lügt.

Ach, Herr Michailowski, Herr Michailowski!

Ob dieser ehrwürdige „Geist“ nur für zwei die Wahrheit entstellt? Der Leser erinnert sich vielleicht an die Geschichte des von Herrn Michailowski „weggelassenen“ „Moments der Blüte“. Das Weglassen dieser „Blüte“ hat „wichtige Bedeutung“; es zeigt, dass auch die Engelssche Wahrheit entstellt worden ist. Warum hat Herr Michailowski diese lehrreiche Geschichte mit keinem einzigen Wort erwähnt?

Ach, Herr Michailowski, Herr Michailowski!

Aber wissen Sie was? Vielleicht entstellt der „russische Geist“ überhaupt nicht die Wahrheit, vielleicht spricht der Arme völlig ehrlich. Um seine Wahrheitsliebe außer jeden Zweifel zu stellen, genügt es ja, anzunehmen, Sieber habe sich über den jungen Schriftsteller einfach lustig gemacht, indem er ihn mit der „Triade“ ins Bockshorn jagte. Das ist auch sehr wahrscheinlich: Herr Michailowski behauptet, Sieber sei mit der dialektischen Methode vertraut gewesen; als ein mit dieser Methode vertrauter Mann musste Sieber ohne weiteres begreifen, dass die berüchtigte Triade bei Hegel niemals die Rolle eines Arguments spielte. Im Gegensatz dazu konnte Herr Michailowski, als einer, der keine Kenntnisse über Hegel besaß, im Gespräch mit Sieber jenen später öfters von ihm vertretenen Gedanken aussprechen, die ganze Beweisführung Hegels und der Hegelianer beruhe im Hinweis auf die Triade. Das musste Sieber recht spaßig erscheinen, und er begann den hitzigen, jedoch wenig beschlagenen jungen Mann mit der Triade aufzuziehen. Wenn Sieber natürlich geahnt hätte, in welch traurige Lage sein Gesprächspartner infolge dieses Scherzes in Zukunft geraten würde, hätte er diesen Scherz sicherlich unterlassen. Das konnte er jedoch nicht voraussehen, und darum erlaubte er sich auch diesen Scherz mit Herrn Michailowski. Die Wahrheitsliebe des letzteren steht außer jedem Zweifel, wenn unsere Vermutung richtig ist. Möge Herr Michailowski sein Gedächtnis überprüfen: Vielleicht wird er sich irgendeines Umstandes entsinnen können, der den Nachweis erbringt, dass unsere Vermutung nicht völlig unbegründet ist. Wir wären von ganzem Herzen erfreut, von einem solchen Umstand zu hören, der die Ehre des „russischen Geistes“ retten würde. Freuen würde sich gewiss auch Herr Beltow.

Herr Michailowski ist ein großer Spaßvogel! Er zürnt Herrn Beltow, der sich erlaubt hatte zu sagen, dass in den „neuen Worten“ unseres subjektiven Soziologen „der russische Geist und die russische Seele das Alte wiederholt und für zwei lügt“. Herr Michailowski meint, wenn Herr Beltow auch nicht für den Inhalt des Zitats verantwortlich sei, dass man ihn doch für seine Wahl verantwortlich machen könne. Nur die Grobheit unserer polemischen Sitten zwingt unseren ehrwürdigen Soziologen zu dem Eingeständnis, dass ein derartiger Vorwurf gegen Herrn Beltow eine überflüssige Feinheit wäre. Wo hat aber Herr Beltow dieses „Zitat“ entnommen? Es stammt von Puschkin. Eugen Onegin war der Ansicht, dass der russische Geist und die russische Seele in unserem gesamten Journalismus nur das Alte wiederholt und für zwei lügt. Kann man Puschkin für eine so krasse Ansicht seines Helden verantwortlich machen? Bis jetzt, soweit uns bekannt, hat das niemand für nötig befunden, obwohl es höchst wahrscheinlich ist, dass Onegin die Ansicht des großen Dichters selbst ausdrückte. Nun aber möchte Herr Michailowski Herrn Beltow dafür verantwortlich machen, dass dieser in seinen, Herrn Michailowskis Werken, nichts anderes als eine Wiederholung des Alten und ein „Lügen für zwei“ findet. Warum tut er das? Warum darf man dieses „Zitat“ nicht auf die Werke unseres Soziologen anwenden? Wohl deshalb, weil diese Werke in den Augen dieses Soziologen eine bedeutend ehrfurchtsvollere Behandlung verdienen. Darüber „lässt sich aber streiten“, sagen wir mit den Worten des Herrn Michailowski.

„An dieser Stelle überführt mich Herr Beltow eigentlich keiner Lüge“, sagt Herr Michailowski, „er schwatzt nur so daher, damit es hitziger wirke, und bedeckt sich mit dem Zitat wie mit einem Feigenblatt“ (S. 140). Warum hat er denn „geschwatzt“ und nicht „seine feste Überzeugung geäußert“? Welchen Sinn hat der Satz: Herr Michailowski wiederholt in seinen Aufsätzen das Alte und lügt für zwei? Er besagt, dass Herr Michailowski nur alte, im Westen längst widerlegte Ansichten ausspricht und den Fehlern der Männer des Westens seine eigenen hausbackenen hinzufügt. Muss man sich dann unbedingt mit einem Feigenblatt bedecken, wenn man eine solche Ansicht über die literarische Tätigkeit des Herrn Michailowski ausspricht? Herr Michailowski glaubt, man könne eine solche Ansicht nur so „daher schwatzen“, sie könne nicht das Ergebnis einer ernsten und durchdachten Beurteilung sein. Darüber lässt sich aber streiten, sagen wir nochmals mit seinen eigenen Worten.

Der Schreiber dieser Zeilen erklärt kaltblütig und bedacht, ohne irgendwelche Feigenblätter zu benötigen, dass eine sehr geringe Meinung von den „Werken“ des Herrn Michailowski seiner Überzeugung nach die Grundlage jeder Weisheit ist.

Wenn aber Herr Beltow, den „russischen Geist“ erwähnend, Herrn Michailowski keiner Lügen überführt, warum nörgelt unser „Soziologe“ dann gerade über das „Zitat“ und geht von dem unglücklichen Vorfall mit Sieber aus? Wahrscheinlich wohl zu dem Zweck, damit „es hitziger wirke“. In Wirklichkeit aber haben solche Methoden nichts Hitziges, aber es gibt Menschen, denen sie sehr hitzig erscheinen. In einer Skizze G. I. Uspenskis zankt sich eine Beamtenfrau mit einem Hausknecht. Der Hausknecht spricht das Wort „gemeinhin“ aus. „Wie! Ich soll gemein sein?“ schreit die Beamtenfrau. „Du wirst noch was erleben, mein Sohn dient in Polen“ usw. Wie die Beamtenfrau greift Herr Michailowski ein Wort heraus und erhebt ein großes Geschrei: „Ich soll für zwei lügen, Sie zweifeln an meiner Wahrhaftigkeit, ich werde Sie aber selbst mehrerer Lügen überführen! Sehen Sie sich nur an, was Sie über Sieber alles gesagt haben!“ Wir sehen nach, was Herr Beltow über Sieber gesagt hat, und stellen fest, dass er die reine Wahrheit gesagt hat. {Die Moral von der Geschichte} ist die, dass übermäßig hitziges Vorgehen weder bei der Beamtenfrau noch bei Herrn Michailowski zu etwas Gutem führt.

„Herr Beltow hat sich vorgenommen zu zeigen, dass der endgültige Sieg des materialistischen Monismus durch die sogenannte Theorie des ökonomischen Materialismus in der Geschichte herbeigeführt worden ist, eine Theorie, die angeblich in engster Bindung zum ‚allgemein-philosophischen Materialismus‘ steht. Zu diesem Zweck unternimmt Herr Beltow einen Exkurs in die Geschichte der Philosophie. Über die Unordentlichkeit und Unvollständigkeit dieses Exkurses kann man an Hand seiner Kapitelüberschriften urteilen: Der französische Materialismus des 18. Jahrhunderts, Die französischen Historiker der Restaurationsepoche, Die Utopisten, Die idealistische deutsche Philosophie, Der moderne Materialismus“ (S. 146).

Herr Michailowski erregt sich wiederum grundlos, und wieder führt sein hitziges Vorgehen zu nichts Gutem. Hätte Herr Beltow auch nur einen kurzen Abriss der Geschichte der Philosophie verfassen wollen, so wäre sein Exkurs, in dem er von den französischen Materialisten des 18. Jahrhunderts zu den französischen Historikern der Restaurationsepoche, von diesen Historikern zu den Utopisten, von den Utopisten zu den deutschen Idealisten usw. übergeht, tatsächlich unordentlich und unverständlich. Die Sache ist aber die, dass Herr Beltow durchaus keine Geschichte der Philosophie verfasste. Bereits auf der ersten Seite seines Buches erklärte er seine Absicht, einen kurzen Abriss jener Lehre zu geben, die fälschlicherweise als ökonomischer Materialismus bezeichnet wird. Er fand einige schwache Keime dieser Lehre bei den französischen Materialisten und zeigte, dass sich diese Keime bei den französischen Fachhistorikern der Restaurationsepoche wesentlich entwickelt haben; dann wandte er sich Männern zu, die, ohne Fachhistoriker zu sein, sich eingehend mit den wichtigsten Fragen der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit befassen mussten, das heißt den Utopisten und den deutschen Philosophen. Er zählte längst nicht alle Materialisten des 18. Jahrhunderts, nicht alle Historiker der Restaurationsepoche, nicht alle Utopisten und auch nicht alle dialektischen Idealisten jener Zeit auf. Aber er wies auf die wichtigsten unter ihnen hin, auf jene, die mehr als die anderen für die ihn interessierende Frage getan haben. Er zeigte, dass sich alle diese so reich begabten und mit so großem Wissen ausgerüsteten Männer in Widersprüche verstrickten, aus denen Marx’ Geschichtstheorie der einzige logische Ausweg war. Mit einem Wort, il prenait son bien où ille trouvait [7]. Was lässt sich gegen diese Methode einwenden? Warum gefällt sie Herrn Michailowski nicht?

Wenn Herr Michailowski Engels’ Werke Ludwig Feuerbach und Dührings Umwälzung nicht nur gelesen, sondern – und das ist die Hauptsache – auch verstanden hätte, dann wüsste er selbst, welche Bedeutung die Ansichten der französischen Materialisten des vorigen Jahrhunderts, der französischen Historiker der Restaurationsepoche, der Utopisten und der dialektischen Idealisten für die Entwicklung der Ideen von Marx und Engels hatten. Herr Beltow hat diese Bedeutung hervorgehoben, indem er eine kurze Charakteristik der in diesem Fall wesentlichsten Ansichten der ersten und zweiten, der dritten und vierten gab. Herr Michailowski zuckt zu dieser Charakteristik verächtlich mit der Schulter, ihm sagt Herrn Beltows Plan nicht zu. Wir wollen dazu bemerken, dass jeder Plan gut ist, mit dem ein Verfasser zu seinem Ziel gelangt. Dass aber Herrn Beltows Ziel erreicht wurde, bestreiten, soweit uns bekannt, nicht einmal seine Gegner.

Herr Michailowski fährt fort:

„Herr Beltow spricht sowohl über die französischen Historiker als auch über die französischen ‚Utopisten‘ und beurteilt die einen wie die anderen nach dem Maß ihres Begreifens oder Nichtbegreifens der Ökonomie als des Fundaments des gesellschaftlichen Baues. Sonderbarerweise allerdings erwähnt er dabei Louis Blanc überhaupt nicht, obwohl allein dessen Vorwort zu seiner «Histoire de dix ans» ausreicht, ihm einen Ehrenplatz unter den ersten Vertretern des sogenannten ökonomischen Materialismus zu sichern. Natürlich ist dort manches enthalten, womit Herr Beltow nicht einverstanden sein könnte, jedoch findet sich dort sowohl der Klassenkampf als auch die Kennzeichnung der Klassen durch ihre ökonomischen Merkmale sowie die Ökonomie als die verborgene Triebfeder der Politik, überhaupt vieles von dem, was später in die von Herrn Beltow so heiß verteidigte Doktrin eingegangen ist. Ich vermerke diese Lücke deshalb, weil sie erstens an und für sich erstaunlich ist und auch auf irgendwelche Nebenzwecke hindeutet, die mit Unvoreingenommenheit nichts gemein haben“ (S. 150).

Herr Beltow sprach über Marx’ Vorgänger; Louis Blanc aber war eher sein Zeitgenosse. Allerdings erschien die «Histoire de dix ans» zu einer Zeit, da sich Marx’ historische Ansichten noch nicht endgültig herausgebildet hatten. Irgendeinen entscheidenden Einfluss auf sie konnte dieses Buch schon aus dem Grunde nicht ausüben, weil Louis Blancs Standpunkt hinsichtlich der inneren Triebfedern der gesellschaftlichen Entwicklung im Vergleich zu den Ansichten etwa Augustin Thierrys oder Guizots absolut nichts Neues enthielt. Es stimmt, dass „sich dort sowohl der Klassenkampf als auch die Kennzeichnung der Klassen durch ihre ökonomischen Merkmale sowie die Ökonomie“ usw. findet. Aber das alles findet sich auch schon bei Thierry, bei Guizot und bei Mignet, wie Herr Beltow das unwiderlegbar gezeigt hat. Guizot, der auf dem Standpunkt des Klassenkampfes stand, sympathisierte mit dem Kampf der Bourgeoisie gegen die Aristokratie, verhielt sich aber gegenüber dem zu jener Zeit gerade beginnenden Kampf der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie in höchstem Grade feindselig. Louis Blanc sympathisierte mit diesem Kampf. [E] (Darin unterschied er sich von Guizot. Aber diese Meinungsverschiedenheit war unwesentlich. Sie fügte Louis Blancs Ansichten von der Ökonomie als der verborgenen Triebfeder der Politik nichts Neues hinzu.) [8]

Louis Blanc würde, wie Guizot, gesagt haben, dass die politischen Verfassungen im sozialen Leben des Volkes wurzeln, das soziale Leben aber letzten Endes von den Eigentumsverhältnissen bestimmt werde: woher aber die Eigentumsverhältnisse stammen, das war Louis Blanc ebenso wenig bekannt wie Guizot. Das war der Grund, warum Louis Blanc, wie Guizot, ungeachtet seiner „Ökonomie“ genötigt war, zum Idealismus zurückzukehren. Dass Louis Blanc in seinen geschichtsphilosophischen Ansichten Idealist war, ist jedermann bekannt – auch wenn er kein Seminar besucht hat. [F]

Zu jener Zeit, da die «Histoire de dix ans» erschien, war die „später“ von Marx gelöste Frage: Woher stammen die Eigentumsverhältnisse? die Tagesfrage der Gesellschaftswissenschaft. Louis Blanc hat in dieser Hinsicht nichts Neues gesagt. Darum ist es nur natürlich, wenn man annimmt, dass Herr Beltow gerade aus diesem Grunde nichts über Louis Blanc vermerkt hat. Herr Michailowski jedoch zieht die Verleumdung durch die Andeutung irgendwelcher Nebenzwecke vor. Chacun à son goùt! [9]

Nach der Meinung des Herrn Michailowski ist der Exkurs des Herrn Beltow in das Gebiet der Geschichte der Philosophie „noch schwächer, als man auf Grund dieser (obengenannten) Überschriften vermuten konnte“. Aus welchem Grund? Aus dem folgenden Grund. Herr Beltow schreibt:

„Hegel bezeichnete als metaphysisch den Standpunkt jener Denker – einerlei ob Idealisten oder Materialisten –, die, außerstande, den Entwicklungsvorgang von Erscheinungen zu begreifen, diese Erscheinungen sich und anderen als erstarrt, zusammenhanglos, als unfähig, ineinander überzugehen, darstellten. Diesem Standpunkt stellte er die Dialektik entgegen, die die Erscheinungen gerade in ihrer Entwicklung und folglich in ihrer Wechselbeziehung erforscht.“ [d]

Aus diesem Anlass bemerkt Herr Michailowski hämisch:

„Herr Beltow hält sich für einem Kenner der Hegelschen Philosophie. Ich wäre froh, bei ihm, wie bei jedem kundigen Menschen, in die Lehre zu gehen, und möchte als erstes Herrn Beltow bitten, jene Stelle in Hegels Werken anzugeben, der er diese angeblich Hegelsche Definition des „metaphysischen Standpunkts“ entnommen hat. Ich wage zu behaupten, dass er nicht imstande sein wird, mir diese Stelle zu nennen. Für Hegel war die Metaphysik die Lehre von der unbedingten Wesenheit der Dinge, die jenseits von Erfahrung und Beobachtung lag, die Lehre vom verborgenen Substrat der Erscheinungen ... Seine angeblich Hegelsche Definition entnahm Herr Beltow nicht Hegel, sondern Engels (immer dem gleichen gegen Dühring gerichteten polemischen Buch), der die Metaphysik von der Dialektik völlig willkürlich durch das Merkmal der Starrheit oder Veränderlichkeit trennte“ (S. 147).

Wir wissen nicht, was Herr Beltow darauf erwidern wird. „Als erstes“ erlauben wir uns aber, ohne Herrn Beltows Erklärung abzuwarten, dem ehrwürdigen Subjektivisten zu antworten.

Wir schlagen den ersten Teil der Hegelschen Enzyklopädie auf und lesen dort im Zusatz zu § 31 (S. 57 der russischen Übersetzung von Herrn W. Tschischow):

„Diese Metaphysik war kein freies und objektives Denken; da sie das Objekt sich nicht frei aus sich selbst bestimmen ließ, sondern dasselbe als fertig voraussetzte ... Diese Metaphysik wurde Dogmatismus, weil sie nach der Natur der endlichen Bestimmungen annehmen musste, dass von zwei entgegen gesetzten Behauptungen, dergleichen jene Sätze waren, die eine wahr, die ändere aber falsch sein müsse“. (§ 32, S. 58 derselben Übersetzung) [e]

Hegel spricht hier über die alte vorkantische Metaphysik, und die ist, wie er bemerkt, „{sozusagen mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden und aus der Reihe der Wissenschaften verschwunden}“! [G] Dieser Metaphysik stellte Hegel seine dialektische Philosophie entgegen, die alle Erscheinungen in ihrer Entwicklung und in ihrer gegenseitigen Bindung betrachtete, nicht aber einzeln und durch ganze Abgründe voneinander getrennt. „{Das Wahre ist das Ganze}“, sagt er. „{Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen.}“ [f] Herr Michailowski behauptet, Hegel habe mit der Dialektik auch die Metaphysik verschmolzen; der aber, von dem er das gehört hat, hat ihm die Sache schlecht erklärt. Bei Hegel kommt zum dialektischen Moment auch das spekulative hinzu, dank dem seine Philosophie eben zur idealistischen Philosophie wird. Als Idealist tat Hegel das gleiche wie alle übrigen Idealisten: Er maß jenen „Resultaten“ (jenen Begriffen), die auch die alte „Metaphysik“ sehr schätzte, ganz besondere philosophische Bedeutung bei. Diese Begriffe jedoch (das Absolute in den verschiedenen Formen seiner Entwicklung) entstanden bei ihm dank dem „dialektischen Moment“ gerade als Resultate und nicht als ursprüngliche Gegebenheiten. Die Metaphysik löste sich bei Hegel in Logik auf, und darum würde gerade er sehr erstaunt sein, wenn er hörte, dass man ihn, den spekulativen Denker, {ohne weiteres} als Metaphysiker bezeichnet. Er würde sagen, die Menschen, die ihn so nennen, „{lassen sich mit Tieren vergleichen, welche alle Töne einer Musik mit durch gehört haben, an deren Sinn aber das Eine, die Harmonie dieser Töne, nicht gekommen ist}“ (sein eigener Ausdruck, mit dem er gelehrte Pedanten brandmarkte).

Wir wiederholen, dass dieser spekulative Denker, der die Metaphysik der Vernunft verachtete (wiederum sein eigener Ausdruck), Idealist war und in diesem Sinne seine eigene Metaphysik der Vernunft besaß. Hat aber Herr Beltow diesen Umstand etwa vergessen oder in seinem Buch unerwähnt gelassen? Weder vergessen noch unerwähnt gelassen. Er führte lange Zitate aus Marx’ und Engels’ Buch Die heilige Familie an, die die spekulativen Ergebnisse Hegels scharf kritisieren. Wir meinen, dass diese Zitate die Rechtmäßigkeit einer Verschmelzung der Dialektik mit dem, was Herr Michailowski als die Metaphysik Hegels bezeichnet, in genügendem Masse offenbarten. Wenn also Herr Beltow irgend etwas vergessen haben sollte, dann höchstens das eine: dass man bei der erstaunlichen „Sorglosigkeit“ unserer „führenden“ Männer hinsichtlich der Geschichte der Philosophie ihnen erklären müsste, wie genau zur Zeit Hegels die Metaphysik von der spekulativen Philosophie unterschieden wurde. [H] Aus alledem folgt aber, dass Herr Michailowski ganz vergeblich „zu behaupten wagt“, was zu behaupten unmöglich ist.

Wie Herr Beltow sagte, bezeichnete Hegel als metaphysisch sogar den Standpunkt der Materialisten, die es nicht verstanden, die Erscheinungen in ihrer wechselseitigen Verknüpfung zu betrachten. Stimmt das, oder stimmt das nicht? Machen Sie sich die Mühe und lesen Sie eine Seite aus § 27 des 1.Teils der Enzyklopädie des gleichen Hegel.: „Dieses in seiner bestimmtesten und uns am nächsten liegenden Ausbildung war die vormalige Metaphysik, wie sie vor der kantischen Philosophie bei uns beschaffen war. Diese Metaphysik ist jedoch nur in Beziehung auf die Geschichte der Philosophie etwas Vormaliges; für sich ist sie überhaupt immer vorhanden, die bloße Verstandesansicht der Vernunftgegenstände.“ [g] Was ist die Verstandesansicht von den Gegenständen? Das ist gerade die alte metaphysische Betrachtungsweise der Gegenstände, die der dialektischen entgegengesetzt ist. Die ganze materialistische Philosophie des 18. Jahrhunderts war ihrem Wesen nach „Verstandesansicht“; sie vermochte die Erscheinungen nicht anders zu betrachten als vom Standpunkt endlicher Definitionen. Dass Hegel diese schwache Seite des französischen Materialismus, wie auch der gesamten französischen Philosophie des 18.Jahrhunderts, sehr gut erkannte, davon kann sich jeder überzeugen, der sich die Mühe macht, die entsprechenden Stellen aus dem 2. Teil seiner Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zu lesen. [10] Darum konnte er nicht umhin, den Standpunkt der französischen Materialisten als alten metaphysischen Standpunkt anzusehen. [I] Hat Herr Beltow nun recht oder nicht? Es müsste wohl klar sein, dass er völlig recht hat. Herr Michailowski jedoch „wagt zu behaupten“ ... Dagegen kann weder Herr Beltow noch der Schreiber dieser Zeilen etwas tun. Herrn Michailowskis Pech besteht gerade darin, dass er – mit Marx’ „russischen Jüngern“ in Streit geraten – über Sachen zu sprechen „gewagt“ hat, die ihm völlig unbekannt sind.

O viel erfahrener Mann, dein Mut richtet dich zugrunde! Jeder, der die Philosophie kennt, hätte ohne Mühe bemerkt, dass Herr Beltow bei seiner Darstellung der philosophischen Ansichten Hegels und Schellings fast stets die eigenen Worte dieser Denker benutzt; so ist zum Beispiel seine Charakteristik des dialektischen Denkens eine fast wörtliche Übersetzung der Anmerkung und des 1. Zusatzes zum § 81 des ersten Teils der Enzyklopädie; danach führt er fast wörtlich einige Stellen aus dem Vorwort zur Philosophie des Rechts und aus der Philosophie der Geschichte an. [h] Nur hat dieser Mann, der die verschiedenen Helvétius, Enfantin, Oskar Peschel usw. sehr sorgfältig zitiert, fast nie angegeben, welche Werke Schellings und Hegels und welche Stellen aus diesen Werken er bei seiner Darstellung im Auge hat. Warum ist er in diesen Fällen von seinem Grundsatz abgewichen? Uns scheint, Herr Beltow hat hier eine Kriegslist angewandt. Wir vermuten, dass er folgendermaßen überlegt hat: Unsere Subjektivisten haben die deutsche idealistische Philosophie zur Metaphysik erklärt und sich damit begnügt; sie haben sie nicht studiert, wie es zum Beispiel der Verfasser der Kommentare zu Mill [11] noch tat. Wenn ich auf einige bemerkenswerte Gedanken der deutschen Idealisten hinweise, werden die Herren Subjektivisten, die keinen Hinweis auf Werke dieser Denker finden, denken, ich habe sie selbst erfunden oder bei Engels entliehen, und dann werden sie los schreien: „Das lässt sich bestreiten!“ usw. Alsdann werde ich sie ihrer Unkenntnis überführen können, das wird ein Spaß werden! Sollte Herr Beltow in seiner Polemik tatsächlich diese kleine Kriegslist angewandt haben, muss man zugeben, dass sie ihm nicht besser hätte gelingen können; sie hat wirklich einen guten Spaß ergeben!

Gehen wir jedoch weiter.

„Jedes philosophische System, das zusammen mit Herrn Beltow behauptet, ‚die Rechte der Vernunft sind unfassbar und unbegrenzt, wie auch ihre Kräfte‘, und das darum die unbedingte Wesenheit der Dinge entdeckt hat – sei es Materie oder Geist –, ist ein metaphysisches System ... Ob es daneben bis zur Idee einer Entwicklung der von ihm vorgeschlagenen Wesenheit der Dinge gedanklich vorgedrungen ist oder nicht, und – falls es soweit ist – ob es dieser Entwicklung einen dialektischen Weg zuschreibt oder einen anderen, ist zwar von großer Bedeutung zur Bestimmung seines Platzes in der Geschichte der Philosophie, ändert aber nichts an seinem metaphysischen Charakter“ (Russkoje Bogatstwo, Januar 1896, S. 148).

Soweit man aus diesen Worten des Herrn Michailowski schließen kann, glaubt er – dem das metaphysische Denken fremd ist – nicht daran, dass die Rechte der Vernunft unbegrenzt seien. Es ist zu hoffen, dass Fürst Meschtscherski ihn dafür loben wird. Ebenso wenig glaubt Herr Michailowski offenbar daran, dass die Kräfte der Vernunft unbegrenzt und unermesslich seien. Das könnte bei einem Menschen, der seinen Lesern mehr als einmal versicherte, dass la raison finit toujours par avoir raison [12], erstaunlich erscheinen; bei beschränkten Kräften (und selbst Rechten) der Vernunft ist diese Sicherheit kaum am Platze. Doch wird Herr Michailowski sagen, er sei hinsichtlich des Endsiegs der Vernunft nur insofern überzeugt, als es sich um das praktische Leben handele, an ihren Kräften zweifle er aber dort, wo von der Erkenntnis der unbedingten Wesenheit der Dinge die Rede sei („sei es Materie oder Geist“). Ausgezeichnet. Was ist das nun für eine unbedingte Wesenheit der Dinge?

Nicht wahr, das ist das, was Kant das {Ding an sich} nannte? Falls ja, so erklären wir kategorisch, das „Ding an sich“ ist uns bekannt, und wir verdanken dieses Wissen Hegel. (Hilfe! rufen unsere „nüchternen Philosophen“; wir bitten sie jedoch, sich nicht zu erregen.)

„Das Ding an sich ... drückt den Gegenstand aus, insofern von Allem, was er für das Bewusstsein ist, von allen Gefühlsbestimmungen, wie von allen bestimmten Gedanken desselben abstrahiert wird. Es ist leicht zu sehen, was übrigbleibt – das völlige Abstraktum, das ganz Leere, bestimmt nur noch als Jenseits, das Negative der Vorstellung, des Gefühls, des bestimmten Denkens usf. Ebenso einfach aber ist die Reflexion, dass dies caput mortuum [13] selbst nur das Produkt des Denkens ist, eben des zur reinen Abstraktion fortgegangenen Denkens, des leeren Ich, das diese leere Identität seiner selbst sich zum Gegenstande macht. Die negative Bestimmung, welche diese abstrakte Identität als Gegenstand erhält, ist gleichfalls unter den kantischen Kategorien aufgeführt, und ebenso etwas ganz Bekanntes, wie jene leere Identität. – Man muss sich hiernach nur wundern, so oft wiederholt gelesen zu haben, man wisse nicht, was das Ding-an-sich sei; und es ist nichts leichter, als dies zu wissen.“ [J]

Wir wiederholen also, dass es uns sehr gut bekannt ist, was die unbedingte Wesenheit der Dinge oder das Ding an sich ist. Es ist eine leere Abstraktion. Mit dieser leeren Abstraktion gedenkt Herr Michailowski Menschen einzuschüchtern, die zusammen mit Hegel stolz erklären: „{Von der Größe und Macht seines Geistes kann der Mensch nicht groß genug denken!}“ [K] Das ist ein altes Lied, Herr Michailowski! {Sie sind zu spät gekommen}.

Wir sind überzeugt, dass die soeben von uns geschriebenen Zeilen Herrn Michailowski als leere Sophistik erscheinen werden. Erlauben Sie, wird er sagen, was verstehen Sie in diesem Falle unter einer materialistischen Erklärung der Natur und der Geschichte? – Wir verstehen darunter folgendes:

Wenn Schelling sagte, der Magnetismus sei ein Eindringen des Subjektiven in das Objektive, so war das eine idealistische Erklärung der Natur; wenn aber der Magnetismus vom Standpunkt der modernen Physik erklärt wird, erhalten seine Erscheinungen eine materialistische Deutung. Wenn Hegel oder beispielsweise unsere Slawophilen gewisse historische Erscheinungen aus den Eigenschaften des Volksgeistes erklärten, so betrachteten sie diese Erscheinungen vom idealistischen Standpunkt aus; als aber Marx beispielsweise die französischen Ereignisse der Jahre 1848 bis 1850 aus dem Klassenkampf in der französischen Gesellschaft erklärte, gab er diesen Ereignissen eine materialistische Deutung. Ist das klar? Und ob! So klar, dass ein bedeutendes Maß an Eigensinn nötig ist, um das Gesagte nicht zu begreifen.

„Hier stimmt irgend etwas nicht“, überlegt Herr Michailowski, seine Gedanken umherschweifen lassend (c’est bien le moment! [14]). „Lange sagt ...“ Wir gestatten uns, Herrn Michailowski zu unterbrechen: Es ist uns sehr gut bekannt, was Lange sagt, aber wir versichern Herrn Michailowski, dass sich seine Autorität gewaltig irrt. In seiner Geschichte des Materialismus hat Lange zum Beispiel vergessen, die so charakteristische Aussage eines der bedeutendsten französischen Materialisten anzuführen: Nous ne connaissons que l’ecorce des phenomenes (wir kennen nur das Äußere der Erscheinungen). Andere, nicht weniger bedeutende französische Materialisten haben sich mehrmals in gleichem Sinne geäußert. Wie Sie sehen, Herr Michailowski, wussten die französischen Materialisten noch nicht, dass das Ding an sich nur ein caput mortuum der Abstraktion ist, und nahmen gerade den Standpunkt ein, den jetzt viele als den Standpunkt der kritischen Philosophie bezeichnen.

Das alles wird Herrn Michailowski natürlich neu und sogar höchst unglaublich vorkommen. Vorläufig wollen wir ihm aber nicht verraten, wen unter den französischen Materialisten und welche ihrer Werke wir meinen. Möge er erst mal „zu behaupten wagen“, dann wollen wir mit ihm reden.

Falls Herr Michailowski wissen möchte, welcher Ansicht wir über das Verhältnis unserer Empfindungen zu den äußeren Dingen sind, verweisen wir auf den Aufsatz des Herrn Setschenow „Gegenständliches Denken und Wirklichkeit“ in dem Sammelband „Hilfe für die Hungernden“. Wir nehmen an, dass sowohl Herr Beltow als auch jeder russische oder nichtrussische Jünger von Marx mit unserem berühmten Physiologen einverstanden sein wird. Setschenow sagte folgendes:

„Mögen die äußeren Dinge an und für sich, unabhängig von unserem Bewusstsein, sein wie sie wollen, mögen unsere Eindrücke von ihnen nur konventionelle Zeichen sein; auf jeden Fall entspricht der von uns empfundenen Ähnlichkeit oder Verschiedenheit der Zeichen eine wirkliche Ähnlichkeit und eine wirkliche Verschiedenheit. Mit anderen Worten: Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten, die der Mensch zwischen den von ihm empfundenen Dingen feststellt, sind wirkliche Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten.“ [L]

Wenn Herr Michailowski Herrn Setschenow widerlegt haben wird, werden wir die Beschränktheit nicht nur der Kräfte, sondern auch der Rechte der menschlichen Vernunft anzuerkennen bereit sein. [M]

Herr Beltow hat gesagt, dass in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts in der Wissenschaft, mit der die Philosophie zu dieser Zeit gänzlich verschmolzen ist, der materialistische Monismus obgesiegt habe. Herr Michailowski bemerkt dazu: „Ich fürchte, er täuscht sich.“ Um seine Befürchtung zu rechtfertigen, verweist er auf Lange, dessen Ansicht nach „{die gründliche Naturforschung durch ihre eignen Konsequenzen über den Materialismus hinausführt}“. Wenn sich Herr Beltow irrt, so hat der materialistische Monismus in der Wissenschaft nicht obgesiegt. Soll das etwa bedeuten, dass die Gelehrten die Natur bis heute aus dem Eindringen des Subjektiven ins Objektive und aus den übrigen Feinheiten der idealistischen Naturphilosophie erklären? „Wir fürchten, dass sich täuscht“, wer das behaupten würde, und fürchten das um so mehr, als beispielsweise der englische Naturforscher Huxley, der einen hohen wissenschaftlichen Ruf genießt, folgendermaßen urteilt:

„In unseren Tagen wird keiner, der auf der Höhe der modernen Wissenschaft steht und die Tatsachen kennt, daran zweifeln, dass die Grundlagen der Psychologie in der Physiologie des Nervensystems zu suchen sind. Das, was man Tätigkeit des Geistes nennt, ist die Gesamtheit der Hirnfunktionen, und das Material unseres Bewusstseins ist ein Produkt der Gehirntätigkeit.“ [N]

Beachten Sie, dass ein Mann so spricht, der in England zu den sogenannten Agnostikern gehört. Er meint, dass sich die von ihm geäußerte Ansicht über die Tätigkeit des Geistes ohne weiteres mit dem reinsten Idealismus vereinen lasse. Da wir jedoch die Erklärungen der Naturerscheinungen kennen, wie sie der konsequente Idealismus zu geben vermag, begreifen wir, woher die Schamhaftigkeit des ehrwürdigen Engländers kommt, und wiederholen zusammen mit Herrn Beltow: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat der materialistische Monismus in der Wissenschaft obgesiegt.

Herr Michailowski kennt wohl die psychologischen Forschungen Setschenows. Der Standpunkt dieses Gelehrten wurde einst von Kawelin heiß bekämpft. Wir fürchten, dass sich der verstorbene Liberale stark geirrt hat. Vielleicht ist Herr Michailowski aber mit Kawelin einverstanden? Oder braucht er vielleicht irgendwelche anderen Erklärungen in dieser Sache? Wir vertagen sie bis zu dem Augenblick, wo er „zu behaupten“ beginnt.

Herr Beltow sagt, dass der vor Marx in der Gesellschaftswissenschaft vorherrschende Standpunkt der „menschlichen Natur“ zu dem auch jetzt in der westlichen soziologischen und besonders in der russischen quasi-soziologischen Literatur deutlich zu merkenden Missbrauch biologischer Analogien Anlass bot. Das gibt Herrn Michailowski Gelegenheit, den Verfasser des Buches über den historischen Monismus einer schreienden Ungerechtigkeit zu beschuldigen und die Lauterkeit seiner polemischen Methoden einmal mehr zu verdächtigen.

„Ich appelliere an den Leser, selbst an den, der mir gegenüber keineswegs wohlwollend eingestellt ist, der aber meine Werke auch nur ein wenig kennt, wenn auch nicht alle, so zum Beispiel wenigstens die Aufsätze Die Analogiemethode in der Gesellschaftswissenschaft oder Was ist Fortschritt?. Es ist nicht wahr, dass die russische Literatur biologische Analogien besonders missbraucht; in Europa wird das, nachdem Spencer den Anfang gemacht hat, unvergleichlich häufiger getan, ganz zu schweigen von den Zeiten der lächerlichen Analogien Bluntschlis und Konsorten. Und wenn die Sache bei uns nicht über die Analogieversuche des verstorbenen Stronin (Geschichte und Methode, Politik als Wissenschaft), des Herrn Lilienfeld (Soziale Wissenschaft der Zukunft) und einige Artikel in Zeitschriften hinaus gediehen ist, so habe sicherlich auch ich ‚meinen Tropfen Honig dazu beigetragen‘. Es hat sich doch niemand so viel Mühe mit dem Kampf gegen biologische Analogien gemacht wie ich. Seinerzeit habe ich deshalb nicht wenig unter den ‚Kindern Spencers‘ leiden müssen. Ich hoffe, dass auch das jetzige Gewitter zu seiner Zeit vorübergehen wird“ (S. 145/146). Diese Tirade hat einen solchen Anschein von Aufrichtigkeit, dass sich tatsächlich sogar ein Leser, der Herrn Michailowski nicht wohlgesinnt ist, sagen kann: „Hier scheint Herr Beltow in seinem polemischen Eifer zu weit gegangen zu sein.“ Das stimmt aber nicht, und Herr Michailowski weiß selbst, dass es nicht stimmt; wenn er den Leser dennoch kläglich anfleht, so allein aus dem gleichen Grunde, aus dem sich bei Plautus ein Lustspielheld sagt: „Pergam turbare porro: ita haec res postulat.“ [15]

Was hat Herr Beltow eigentlich gesagt? Er sagt:

„Wenn man die Lösung des Rätsels der ganzen historischen gesellschaftlichen Bewegung in der Natur des Menschen suchen müsse und wenn, wie schon Saint-Simon richtig bemerkte, die Gesellschaft aus Individuen bestehe, so müsse die Natur des Individuums den Schlüssel zur Erklärung der Geschichte liefern. Die Natur des Individuums erforsche die Physiologie im weiteren Sinne dieses Wortes, das heißt die Wissenschaft, die auch die psychischen Erscheinungen erfasse. Darum ist die Physiologie in den Augen Saint-Simons und seiner Schüler die Grundlage der Soziologie, die sie Sozialphysik nannten. In den noch zu Lebzeiten Saint-Simons und unter seiner tätigen Mitarbeit herausgegebenen Opinions philosophiques, litteraires et industrielles ist unter der Überschrift De la physiologie appliquée à l’amelioration des institutions sociales (Über die Physiologie, angewandt auf die Verbesserung der gesellschaftlichen Einrichtungen) ein außerordentlich interessanter, leider unvollendeter Aufsatz eines anonymen Doktors der Medizin abgedruckt. Der Verfasser betrachtet die Wissenschaft von der Gesellschaft als einen Bestandteil der ,allgemeinen Physiologie‘, die, bereichert durch Beobachtungen und Versuche der speziellen Physiologie an Individuen, sich Überlegungen ‚höherer Ordnung‘ hingebe. Die Individuen erschienen in ihr ‚nur als Organe des gesellschaftlichen Körpers‘, dessen Funktion sie erforsche, ‚genau wie die spezielle Physiologie die Funktionen der Individuen erforscht‘. Die allgemeine Physiologie erforsche (der Verfasser sagt: drückt aus) die Gesetze der gesellschaftlichen Existenz, mit denen auch die geschriebenen Gesetze übereinstimmen müssten. In der Folge haben bürgerliche Soziologen, wie Spencer, die Lehre vom gesellschaftlichen Organismus im Sinne der konservativsten Schlussfolgerungen ausgenutzt. Doch ist der von uns zitierte Doktor der Medizin vor allem ein Reformator. Er erforscht den gesellschaftlichen Körper zwecks gesellschaftlicher Umgestaltung, da nur die Sozialphysiologie und die mit ihr eng verbundene Hygiene positive Grundlagen ergäben, auf denen man ein vom jetzigen Zustand der zivilisierten Welt gefordertes System der gesellschaftlichen Organisation erbauen könne.“ [i]

Schon aus diesen Worten sieht man, dass die biologischen Analogien nach Ansicht des Herrn Beltow nicht nur im Sinne des bürgerlichen Konservativismus Spencers, sondern auch im Sinne utopischer Pläne einer sozialen Reform missbraucht werden können. Ein Vergleich der Gesellschaft mit einem Organismus spielt dabei eine durchaus zweitrangige, wenn nicht zehntrangige Rolle; es kommt nicht auf den Vergleich der Gesellschaft mit einem Organismus an, sondern auf das Bestreben, die „Soziologie“ auf diesen oder jenen Ergebnissen der Biologie zu fundieren. Herr Michailowski lehnte sich heftig gegen eine solche Gleichsetzung von Gesellschaft und Organismus auf; im Kampf gegen diese Gleichsetzung findet sich zweifellos „ein Tropfen seines Honigs“. Das ist jedoch völlig unwesentlich. Wesentliche Bedeutung kommt der Frage zu, ob Herr Michailowski es für möglich hielt, die Soziologie auf diesen oder jenen Ergebnissen der Biologie zu fundieren oder nicht. In dieser Hinsicht ist aber kein Zweifel möglich, wovon sich jeder überzeugen kann, der zum Beispiel den Aufsatz Darwins Theorie und die Gesellschaftswissenschaft durchliest. In diesem Aufsatz sagt Herr Michailowski unter anderem folgendes: „Unter dem Gesamttitel Darwins Theorie und die Gesellschaftswissenschaft werden wir verschiedene Fragen behandeln, die von Darwins Theorie oder von diesem oder jenem ihrer von Tag zu Tag zahlreicher werdenden Anhänger aufgeworfen, gelöst und auf neue Art gelöst werden. Unsere Hauptaufgabe besteht doch darin, vom Standpunkt der Darwinschen Theorie die Wechselbeziehungen zwischen der physiologischen Arbeitsteilung, das heißt der Arbeitsteilung unter den Organen im Rahmen eines Individuums, und der ökonomischen Arbeitsteilung, das heißt der Arbeitsteilung unter ganzen Individuen im Rahmen der Art, der Rasse, des Volkes, der Gesellschaft, zu bestimmen. Von unserem Standpunkt aus gesehen, besteht diese Aufgabe in der Erforschung der Grundgesetze der Kooperation, das heißt des Fundaments der Gesellschaftswissenschaft.“ Die Grundgesetze der Kooperation, das heißt des Fundaments der Gesellschaftswissenschaft, in der Biologie suchen heißt auf dem Standpunkt der französischen Saint-Simonisten der zwanziger Jahre stehen; heißt, mit anderen Worten, „das Alte wiederholen und für zwei lügen“.

Hier könnte Herr Michailowski ausrufen: Ja, in den zwanziger Jahren hat Darwins Theorie auch noch nicht existiert! Der Leser versteht jedoch, dass es sich keineswegs um Darwins Theorie, sondern um das Herrn Michailowski und den Saint-Simonisten gemeinsame utopische Streben handelt, die Physiologie auf die Verbesserung der gesellschaftlichen Einrichtungen anzuwenden. In dem von uns genannten Aufsatz erklärt sich Herr Michailowski völlig mit Haeckel einverstanden („Haeckel hat durchaus recht“), welcher sagte, die zukünftigen Staatsmänner, Wirtschaftler und Historiker würden ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich der vergleichenden Zoologie, das heißt der vergleichenden Morphologie und Physiologie der Tiere, zuwenden müssen, wenn sie einen richtigen Begriff von ihrem Hauptfach erhalten wollen. Wie Sie wünschen; wenn aber Haeckel „durchaus recht hat“, das heißt, wenn die Soziologen (und sogar die Historiker!) ihre Aufmerksamkeit „hauptsächlich“ der Morphologie und Physiologie der Tiere zuwenden sollen, so werden Missbräuche biologischer Analogien in dieser oder jener Richtung nicht ausbleiben!

Ist es denn nicht klar, dass Herrn Michailowskis Standpunkt in der Soziologie der alte Standpunkt der Saint-Simonisten ist?

Einzig und allein das hat Herr Beltow auch gesagt, und Herr Michailowski tut unrecht, wenn er jetzt versucht, die Verantwortung für Bucharzew-Noschins soziologische Ideen von sich abzuwälzen. In seinen eigenen Forschungen hat er sich von den Ansichten seines verstorbenen Freundes und Lehrers nicht sehr weit entfernt. Herr Michailowski hat nicht verstanden, worin Marx’ Entdeckung besteht, und ist darum unverbesserlicher Utopist geblieben. Das ist eine sehr traurige Lage, und nur eine neue gedankliche Leistung könnte unseren Verfasser aus dieser Lage befreien; ein weinerlicher Anruf an den Leser, selbst an den nicht wohlgesinnten, wird aber unserem armen „Soziologen“ nicht im geringsten helfen.

Herr Beltow hat ein paar Worte zur Verteidigung des Herrn P. Struve gesagt. Das veranlasste die Herren Michailowski und N–on zu „behaupten“, Beltow habe Herrn Struve unter seinen „Schutz“ genommen. Wir haben vieles zur Verteidigung des Herrn Beltow gesagt. Was werden Herr Michailowski und Herr N–on über uns sagen? Wahrscheinlich werden sie Herrn Beltow für unseren Vasallen halten. Wir bitten Herrn Beltow im Voraus um Vergebung, dass wir seine Entgegnungen an die Herren Subjektivisten vorwegnehmen, und fragen diese letzteren: Wenn man mit diesem oder jenem Schriftsteller einverstanden ist, heißt das wirklich, dass man ihn unter seinen Schutz genommen hat? Herr Michailowski ist in einigen aktuellen Fragen des russischen Lebens mit Herrn N–on der gleichen Ansicht. Müssen wir ihr Einverständnis in dem Sinne deuten, dass Herr Michailowski Herrn N–on unter seinen Schutz genommen hat? Oder protegiert vielleicht Herr N–on Herrn Michailowski? Was würde der verstorbene Dobroljubow sagen, wenn er diese sonderbare Sprache unserer jetzigen „fortschrittlichen“ Literatur hörte?

Herr Michailowski glaubt, Herr Beltow habe seine Lehre von den Helden und der Masse entstellt. Wir glauben wiederum, dass Herr Beltow recht hat und dass Herr Michailowski in seiner Entgegnung Tranions Rolle spielt. Bevor wir jedoch unsere Meinung begründen, halten wir es für erforderlich, einige Worte über Herrn N–ons Notiz Was heißt eigentlich ökonomische Notwendigkeit? im Märzheft des Russkoje Bogatstwo zu sagen.

In dieser Notiz fährt Herr N–on zwei Batterien gegen Herrn Beltow auf. Wir werden sie eine nach der anderen nehmen.

Die Stärke der ersten Batterie liegt in folgendem: Herr Beltow hat gesagt, man müsse, um die Frage entscheiden zu können, ob Russland den Weg der kapitalistischen Entwicklung einschlagen werde oder nicht, „sich der Untersuchung der tatsächlichen Lage des Landes, der Analyse seines gegenwärtigen inneren Lebens zuwenden. Marx’ russische Jünger behaupten auf Grund einer solchen Analyse: ... Es liegen keine Anzeichen vor, die zu der Hoffnung berechtigten, Russland werde den Weg der kapitalistischen Entwicklung verlassen ...“ Herr N–on wiederholt hämisch: „Eine solche Analyse fehlt.“ [j] Sie soll also fehlen, Herr N–on? Wir wollen uns vor allem über die Terminologie einigen. Was nennen Sie Analyse? Liefert eine Analyse neue Daten zur Beurteilung eines Gegenstandes, oder operiert sie mit Daten, die bereits vorhanden und auf anderem Wege erhalten worden sind? Auch wenn wir Gefahr laufen, als „Metaphysiker“ angesehen zu werden, halten wir an der alten Definition fest, der zufolge eine Analyse keine neuen Daten zur Beurteilung eines Gegenstandes liefert, sondern mit fertigen Daten operiert. Aus dieser Definition ergibt sich, dass Marx’ russische Jünger bei ihrer Analyse des russischen inneren Lebens irgendwelche selbständigen Beobachtungen dieses Lebens nicht zu liefern brauchten, sondern sich mit dem Material begnügen durften, das beispielsweise die Literatur der Volkstümler gesammelt hatte. Wenn sie aus diesem Material eine neue Schlussfolgerung gezogen haben, so bedeutet das eben, dass sie diese Daten einer neuen Analyse unterzogen. Jetzt fragt es sich: Welche Daten über die Entwicklung des Kapitalismus gibt es in der Literatur der Volkstümler, und haben Marx’ russische Jünger aus diesen Daten wirklich einen neuen Schluss gezogen? Um diese Frage zu beantworten, nehmen wir etwa das Buch des Herrn Dementjew: „Die Fabrik, was sie der Bevölkerung gibt und was sie ihr nimmt“. In diesem Buch (S. 241 und folgende) lesen wir:

„Bevor unsere Industrie jene Form der kapitalistischen Fabrikproduktion, wie wir sie jetzt vorfinden, annahm, machte sie die gleichen Entwicklungsstufen durch wie im Westen ... Eine der Hauptursachen unserer Rückständigkeit gegenüber dem Westen war die Leibeigenschaft. Dank ihr machte unsere Industrie eine viel größere Zeitspanne der Haus- und Heimproduktion durch. Erst nach 1861 erhielt das Kapital die Möglichkeit, jene Produktionsform zu verwirklichen, zu der die Produktion im Westen fast anderthalb Jahrhunderte früher übergegangen war, und erst seit diesem Jahre hat ein rascher Verfall der Haus- und Heimproduktion und ihre Umwandlung in eine fabrikmäßige begonnen ... Während der dreißig Jahre (die seit der Abschaffung der Leibeigenschaft vergangen sind) hat sich alles verändert. Nachdem unsere Industrie einen mit Westeuropa gemeinsamen Weg der ökonomischen Entwicklung beschritten hat, musste sie unvermeidlich, schicksalhaft die gleichen Formen wie im Westen annehmen und nahm sie auch an. Der Boden als Existenzgrundlage der Volksmasse, worauf man sich so gern beruft, um zu beweisen, dass bei uns eine besondere Klasse völlig freier Arbeiter unmöglich sei – eine Klasse, die eine unvermeidliche Begleiterscheinung der gegenwärtigen Form der Industrie bildet –, war und ist bis jetzt zweifellos ein stark hemmendes Moment, das aber keineswegs so stark ist, wie man gewöhnlich denkt. Die häufig ungenügende Landzuteilung sowie der völlige Verfall der Landwirtschaft einerseits und die verstärkten Bemühungen der Regierung, die verarbeitende Industrie zum notwendigen Gleichgewichtselement der staatlichen Wirtschaftsbilanz zu entwickeln, anderseits – das sind die Umstände, die das Schwinden der Bedeutung des Bodens als Existenzgrundlage aufs denkbar stärkste gefördert haben und bis heute fördern. Das Ergebnis dieser Sachlage haben wir gesehen: die Herausbildung einer besonderen Klasse von Fabrikarbeitern, einer Klasse, die nach wie vor die Bezeichnung ‚Bauern‘ trägt, mit den Ackerbauern aber so gut wie nichts gemein und sich eine Bindung an Grund und Boden nur in völlig bedeutungslosem Masse erhalten hat, die schon in der dritten Generation die Fabrik zur Hälfte nicht mehr verlässt und auf dem Lande keinerlei Eigentum besitzt, bis auf ein juristisches, praktisch fast nicht mehr realisiertes Recht an Grund und Boden.“

Die von Herrn Dementjew angeführten objektiven Daten sprechen eine beredte Sprache: Der Kapitalismus mit allen seinen Folgen entwickelt sich rasch in Russland. Diese Daten ergänzt Herr Dementjew durch Ausführungen, aus denen folgt, dass die Weiterbewegung der kapitalistischen Produktion aufgehalten werden könne und dass es dazu genüge, sich an den Satz zu erinnern: gouverner – c’est prevoir. [16] (S. 246) Diese Folgerung des Herrn Dementjew unterziehen Marx’ russische Jünger ihrer Analyse und stellen fest, dass es in diesem Falle unmöglich ist, etwas aufzuhalten, dass Herr Dementjew irrt, ebenso ein ganzer Haufen von Volkstümlern, die in ihren Untersuchungen eine Menge objektiver Daten bringen, die mit denen des Herrn Dementjew völlig identisch sind. [O] Herr N–on fragt, wo diese Analyse denn sei. Offenbar will er sagen: Wann und wo ist diese Analyse in der russischen Presse veröffentlicht worden? Auf diese Frage werden wir ihm ganze zwei Antworten geben.

Erstens, in dem ihm unangenehmen Buch des Herrn Struve ist eine sehr sachliche Abhandlung über die Grenzen der gegenwärtig möglichen staatlichen Einmischung in das ökonomische Leben Russlands enthalten. Diese Ausführungen sind zum Teil schon jene Analyse, die Herr N–on fordert, und gegen diese Analyse hat Herr N–on nichts Sachliches einzuwenden.

Zweitens, erinnert sich Herr N–on an die Diskussion, die in den vierziger Jahren zwischen Slawophilen und Westlern stattfand? In dieser Diskussion spielte die „Analyse des inneren russischen Lebens“ ebenfalls eine sehr bedeutsame Rolle, in der Presse jedoch erstreckte sich diese Analyse fast ausschließlich auf literarische Fragen. Das hatte seine historischen Gründe, die Herr N–on unbedingt berücksichtigen muss, wenn er nicht als lächerlicher Pedant gelten möchte. Wird Herr N–on nun sagen, diese Ursachen ständen in keiner Beziehung zu der Analyse der „russischen Jünger“?

Die „Jünger“ haben bis jetzt keine selbständigen Untersuchungen über das russische ökonomische Leben veröffentlicht. Das erklärt sich dadurch, dass die Richtung, der sie angehören, in Russland durchaus neu ist. Bis jetzt hat in der russischen Literatur die Richtung der Volkstümler vorgeherrscht; sie hat die Forscher ihre objektiven Daten, die den Verfall der alten „Stützen“ bezeugten, im Wasser ihrer „subjektiven“ Hoffnungen ertränken lassen. Aber gerade die Menge der von den Volkstümlern mitgeteilten Daten gab den Anlass zum Aufkommen einer neuen Ansicht über das russische Leben. Diese neue Ansicht wird zweifellos neuen, selbständigen Beobachtungen zugrunde gelegt werden. Schon jetzt können wir Herrn N–on beispielsweise auf die Arbeiten des Herrn Charisomenow hinweisen, die dem Volkstümlerkatechismus sehr stark widersprechen, was Herr W. W., der diesen ehrwürdigen Forscher häufig und erfolglos zu widerlegen versuchte, deutlich verspürte. Der Verfasser des Buches Die südrussische Bauernwirtschaft ist keineswegs Marxist, aber Herr N–on wird kaum sagen dürfen, dass die Ansichten des Herrn Postnikow über die gegenwärtige Lage der Dorfgemeinschaft und der bäuerlichen Bodennutzung überhaupt in Südrussland mit dem bei uns üblichen Standpunkt der Volkstümler übereinstimmen.

Da ist ferner Herr Borodin, der Verfasser einer bemerkenswerten Untersuchung über die Uralkosaken, der bereits mit beiden Füßen auf jenem Standpunkt steht, den wir verteidigen und der das Unglück hat, Herrn N–on zu missfallen. Diese Untersuchung wurde von der Publizistik unserer Volkstümler nicht beachtet, aber nicht deshalb, weil ihr kein innerer Wert zukommt, sondern nur deshalb, weil der genannten Publizistik ein besonderer „subjektiver“ Geist innewohnt. Im Weiteren wird aber noch mehr kommen, Herr N–on; die Ära marxistischer Untersuchungen hat in Russland gerade erst begonnen. [P]

Herr N–on hält sich auch für einen Marxisten. Er irrt sich. Er ist nur ein illegitimer Nachkomme des großen Denkers. Seine Weltanschauung ist die Frucht einer wilden Ehe zwischen der Theorie von Marx und Herrn W. W. Vom „Mütterchen“ hat Herr N–on die Terminologie und einige ökonomische Theoreme, übrigens äußerst abstrakt und daher falsch verstanden. Vom „{Vater}“ hat er das utopische Verhältnis zur sozialen Reform geerbt, mit dessen Hilfe er die zweite Batterie gegen Herrn Beltow aufgefahren hat. [17]

Herr Beltow sagt, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse den Menschen mit Hilfe der eigenen Logik ihrer Entwicklung zum Bewusstsein seiner Versklavung durch die ökonomische Notwendigkeit führen.

„Einmal dessen bewusst geworden, dass die Ursache der Versklavung ... in der Anarchie der Produktion besteht, organisiert der Erzeuger (‚der vergesellschaftete Mensch‘) diese Produktion und ordnet sie damit seinem Willen unter. Damit hört das Reich der Notwendigkeit auf, und es entsteht die Freiheit, die sich selbst als Notwendigkeit erweist.“ [k]

Nach der Meinung des Herrn N–on ist das alles durchaus richtig. Jedoch fügt er den richtigen Worten des Herrn Beltow folgenden Zusatz hinzu:

„Folglich besteht die Aufgabe darin, dass die Gesellschaft, statt dem Wirken eines Gesetzes passiv zuzuschauen, das die Entwicklung ihrer Produktivkräfte mit Hilfe der vorhandenen materiell-wirtschaftlichen Verhältnisse hemmt, ein Mittel finde, dieses Gesetz ihrer Macht unterzuordnen, indem sie sein Wirken unter Bedingungen stellt, die die Entwicklung der produktiven Arbeitskräfte (Arbeitskräfte!) der Gesellschaft als Ganzes genommen nicht nur nicht hemmt, sondern fördert.“

Völlig unbemerkt von ihm selbst hat Herr N–on aus den „durchaus richtigen“ Worten des Herrn Beltow eine außerordentlich verworrene Schlussfolgerung gezogen.

Bei Herrn Beltow handelt es sich um den Gesellschaftsmenschen, um die Gesamtheit der Produzenten, der es tatsächlich bevorsteht, die ökonomische Notwendigkeit zu überwinden. Herr N–on setzt an die Stelle der Produzenten die Gesellschaft, die „sich in ihrer Eigenschaft als erzeugendes Ganzes nicht teilnahmslos, ‚objektiv‘ zur Entwicklung solcher gesellschaftlich-wirtschaftlichen Verhältnisse verhalten kann, unter denen die Mehrheit ihrer Mitglieder zu einer fortschreitenden Verarmung verurteilt ist“.

„Die Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als erzeugendes Ganzes“ ... Marx’ Analyse, der Herr N–on angeblich folgt, machte bei der Gesellschaft als einem erzeugenden Ganzen nicht halt. Sie gliederte die moderne Gesellschaft entsprechend ihrer wahren Natur in einzelne Klassen, unter denen jede ihre besonderen ökonomischen Interessen und ihre besondere Aufgabe hat. Warum verfährt die „Analyse“ des Herrn N–on nicht ebenso? Warum spricht Herr N–on, statt über die Aufgaben der russischen Produzenten, über die Aufgaben der Gesellschaft als Ganzes? Diese Gesellschaft als Ganzes wird gewöhnlich – und nicht ohne Grund – dem Volk gegenübergestellt und erweist sich somit, ungeachtet ihrer „Ganzheit“, nur als ein kleiner Teil, als eine unbedeutende Minderheit der Bevölkerung Russlands. Wenn uns Herr N–on versichert, diese unbedeutende Minderheit organisiere die Produktion, so können wir nur mit der Schulter zucken und uns sagen: Das hat Herr N–on nicht von Marx; das hat er von seinem „Vater“ geerbt, von Herrn W. W.

Nach Marx setzt die Organisation der Produktion ein bewusstes Verhältnis der Produzenten zu ihr voraus, und demnach muss also ihre ökonomische Befreiung ihre eigene Sache sein. Bei Herrn N–on setzt eine Organisation der Produktion ein bewusstes Verhältnis seitens der Gesellschaft zu ihr voraus. Wenn das Marxismus sein soll, dann ist Marx nie ein Marxist gewesen.

Nehmen wir aber an, die Gesellschaft trete tatsächlich als Organisator der Produktion auf. In welches Verhältnis tritt sie zu den Produzenten? Sie organisiert diese. Die Gesellschaft wird zum Helden, die Produzenten zur Masse.

Wir fragen Herrn Michailowski, der „behauptet“, Herr Beltow habe seine Lehre von den Helden und der Masse entstellt, ob er, wie Herr N–on, daran glaubt, dass die Gesellschaft die Produktion organisieren kann. Falls ja, so steht er gerade auf dem Standpunkt, laut dem die Gesellschaft, die „Intelligenz“, der Held, der Demiurg unserer künftigen historischen Entwicklung ist, während die Millionen Produzenten die Masse bilden, aus der der Held das kneten wird, was er entsprechend seinen Idealen für notwendig erachtet. Nun soll der unvoreingenommene Leser sagen: Hatte Herr Beltow mit seiner Charakteristik der „subjektiven“ Ansicht vom Volk als der Masse recht?

Herr Michailowski erklärt, er und seine Gesinnungsgenossen hätten ebenfalls nichts gegen die Entwicklung des Selbstbewusstseins der Produzenten einzuwenden. „Nur denke ich“, sagt er, „dass es für ein derart einfaches und klares Programm nicht nötig war, sich über die Wolken der Hegelschen Philosophie zu erheben und auf den Grund einer aus Subjektivem und Objektivem zurecht gebrauten Suppe hinabzusteigen.“ Die Sache ist aber die, Herr Michailowski, dass das Bewusstsein der Produzenten für Menschen Ihrer Denkungsart nicht die gleiche Bedeutung haben kann wie für Ihre Gegner. Von Ihrem Standpunkt aus gesehen, kann die „Gesellschaft“ die Produktion organisieren, vom Standpunkt Ihrer Gegner können das nur die Produzenten selber. Ihrem Standpunkt nach handelt die „Gesellschaft“, während der Produzent nur mithilft. Dem Standpunkt Ihrer Gegner nach helfen die Produzenten nicht mit, sondern handeln. Selbstverständlich brauchen die Mithelfenden einen anderen Grad des Bewusstseins als die Handelnden, da es schon seit langem und durchaus richtig heißt: „Ein Ruhm gebührt dem Mond, ein anderer der Sonne, wiederum ein anderer den Sternen, da ein Stern sich durch seinen Ruhm vom anderen Stern unterscheidet.“ Ihr Verhältnis zu den Produzenten ist das gleiche wie das der französischen und deutschen Utopisten der dreißiger und vierziger Jahre. Ihre Gegner verurteilen jedes utopische Verhältnis zu den Produzenten. Wenn Sie, Herr Michailowski, die Geschichte der ökonomischen Literatur besser kennten, würden Sie wissen, dass man sich zwecks Beseitigung eines utopischen Verhältnisses zu den Produzenten gerade bis zu den Wolken der Hegelschen Philosophie erheben und dann auf den Grund der politisch-ökonomischen Prosa hinabsteigen muss.

Herrn Michailowski missfällt das Wort „Produzent“: Es rieche, meint er, nach Pferdestall. [18] Wir sagen darauf: Wir tun, was wir können. Das Wort „Produzent“ wurde, soweit uns bekannt, erstmalig von Saint-Simon und den Saint-Simonisten gebraucht. Seit Bestehen der Zeitschrift Le Producteur (Der Produzent), das heißt seit 1825, wurde es in Westeuropa unzählige Male benutzt, ohne jemand an den Pferdestall zu erinnern. Nun begann aber ein russischer reumütiger Edelmann über Produzenten zu sprechen und erinnerte sich sogleich an den Pferdestall. Wie lässt sich diese sonderbare Erscheinung erklären? Wahrscheinlich aus den Erinnerungen und Traditionen des reumütigen Edelmannes.

Herr N–on führt aufs Bösartigste folgende Worte des Herrn Beltow an: Natürlich verfügen manche von Marx’ russischen Jüngern „über mehr, andere über weniger umfangreiche ökonomische Kenntnisse, aber hier kommt es nicht auf den Umfang der Kenntnisse einzelner Personen, sondern auf den Standpunkt selbst an.“ Herr N–on fragt: „Wo sind alle Forderungen, auf dem Boden der Wirklichkeit zu verbleiben, der Notwendigkeit einer detaillierten Erforschung des Verlaufs der ökonomischen Entwicklung“ (das ist irgendwie unklar, Herr N–on: Forderungen der Notwendigkeit einer detaillierten Erforschung) „geblieben? Jetzt erweist es sich, dass das alles etwas Zweitrangiges ist, dass es nicht auf den Umfang der Kenntnisse, sondern auf den Standpunkt ankommt.“ [l]

Herr N–on liebt es offenbar, ab und zu etwas Lächerliches zu sagen. Wir empfehlen ihm jedoch, den gesunden Menschenverstand auch dann nicht zu vergessen, wenn er die Menschen erheitern möchte. Sonst wird er die Lacher nicht auf seiner Seite haben.

Herr N–on hat Herrn Beltow nicht verstanden. Wir wollen versuchen, ihm aus der Patsche zu helfen. Im gleichen Heft des Russkoje Bogatstwo, in dem die Notiz des Herrn N–on abgedruckt ist, finden wir im Aufsatz des Herrn P. Mokijewski Was ist ein gebildeter Mensch? (S. 33, Anmerkung) folgende für Herrn N–on sehr lehrreiche Zeilen:

„Ein arabischer Gelehrter pflegte seinen Schülern zu sagen: Wenn jemand euch sagt, die Gesetze der Mathematik seien falsch, und zum Beweise einen Stock in eine Schlange verwandelt, so haltet diesen Beweis nicht für überzeugend. Das ist ein typisches Beispiel. Ein gebildeter Mensch wird diese Beweisführung ablehnen, auch wenn er (zum Unterschied von einem Gelehrten) die Gesetze der Mathematik nicht kennt. Er wird sagen: Die Verwandlung eines Stockes in eine Schlange ist ein unglaubliches Wunder, daraus folgt aber nicht, dass die Gesetze der Mathematik falsch sind. Anderseits steht es außer Zweifel, dass alle ungebildeten Menschen ihre sämtlichen Überzeugungen und Glaubenssätze einem solchen Wundermann sofort zu Füßen legen.“

Einer der Schüler des klugen Arabers könnte größere, ein anderer geringere mathematische Kenntnisse besessen haben, aber es wäre wohl keiner von ihnen dem Wundermann zu Füßen gefallen. Warum? Weil jeder von ihnen eine gute Schule durchgemacht hat; weil es hier nicht auf den Umfang der Kenntnisse, sondern auf jenen Standpunkt ankommt, von dem aus die Verwandlung eines Stockes in eine Schlange nicht als Widerlegung der mathematischen Wahrheiten gelten kann. Begreifen Sie das, Herr N–on? Wir hoffen, ja; handelt es sich doch um ganz einfache, völlig elementare Dinge. Wenn Sie es aber begreifen, so müssen Sie jetzt selbst einsehen, dass die Worte des Herrn Beltow über den Standpunkt usf. keineswegs die ebenfalls von ihm gestellte Forderung aufheben, auf dem Boden der Wirklichkeit zu bleiben.

Wir befürchten jedoch, dass Sie schlecht verstehen, worauf es hier ankommt. Wir wollen Ihnen ein anderes Beispiel geben. Sie besitzen ja nicht wer weiß wie viel ökonomische Kenntnisse, immerhin aber noch mehr als Herr W. W. Das hindert Sie jedoch nicht, auf dem gleichen Standpunkt zu stehen wie er. Sie beide sind Utopisten. Wenn nun jemand die Ihnen beiden gemeinsamen Ansichten wird kennzeichnen wollen, wird er den quantitativen Unterschied in Ihren Kenntnissen außer acht lassen und sagen: Es kommt auf den Standpunkt dieser Männer an, den sie bei den Utopisten von Anno dazumal entlehnt haben.

Nun müsste es Ihnen, Herr N–on, völlig klar sein, dass Sie über das Umspringen des Herrn Beltow mit der subjektiven Methode nicht im richtigen Moment zu sprechen begonnen und ganz vorbei getroffen haben.

Für alle Fälle wollen wir das gleiche mit anderen Worten sagen. Mögen sich Marx’ russische Anhänger hinsichtlich ihrer Kenntnisse noch so sehr unterscheiden, keiner – der sich selbst treu bleibt – wird Ihnen oder Herrn W. W. Glauben schenken, wenn Sie behaupten, dass irgendeine „Gesellschaft“ die Produktion bei uns organisieren werde. Ihr Standpunkt wird sie daran hindern, ihre Überzeugungen den sozialen Wundertätern zu Füßen zu legen. [Q]

Genug davon, doch da wir die subjektive Methode berührt haben, wollen wir darauf hinweisen, wie verächtlich Herr N–on sie behandelt. Aus seinen Worten geht hervor, dass die genannte Methode auch nicht einen Tropfen Wissenschaft enthalten, sondern nur eine gewisse Vermummung getragen habe, die ihr eine einigermaßen „wissenschaftliche“ Hülle verlieh. Ausgezeichnet, Herr N–on! Was wird aber Ihr „Schutzpatron“, Herr Michailowski, über Sie sagen?

Herr N–on macht mit seinen subjektiven „Schutzpatronen“ überhaupt nicht viel Umstände. Sein Aufsatz „Die Apologie der Macht des Geldes als Idol der Zeit“ führt das Motto: „L’ignorance est moins éloignée de la vérité que le préjugé.“ [19] La vérité, das ist zweifellos Herr N–on selber. Er sagt direkt: „Wenn aber einer der wirklich subjektiven Forschungsmethode unentwegt folgt, wird er – davon kann man ganz und gar überzeugt sein – zu Schlüssen gelangen, die mit jenen, zu denen wir gelangt sind, wenn auch nicht identisch sind, ihnen aber jedenfalls nahekommen“ (Russkoje Bogatstwo, März, S. 54). Préjugé, das ist natürlich Herr Struve, gegen den die vérité den Stachel ihrer „Analyse“ richtet. Wer ist aber die ignorance, die der Wahrheit näher kommt als der préjugé, das heißt Herr Struve? Offenbar ist ignorance – die jetzigen subjektiven Verbündeten des Herrn N–on. Ausgezeichnet, Herr N–on! Sie haben die schwache Stelle ihrer Verbündeten genau getroffen. Aber nochmals, was wird Herr Michailowski über Sie sagen? Er wird an die Moral der bekannten Fabel denken müssen:

„Wenn der Dienst uns in der Not auch teuer ist,
Versteht es nicht ein jeder, ihn zu leisten ...“ [20]

Genug der Polemik! Wir glauben, die „Einwände“ unserer Gegner nicht unbeantwortet gelassen zu haben. Wenn es uns vielleicht auch unterlaufen sein mag, dass wir diesen oder jenen außer acht gelassen haben, so werden wir doch noch öfters zu unserer Diskussion zurückkehren müssen. Also dürfen wir die Feder hinlegen. Bevor wir uns trennen, wollen wir unseren Gegnern noch ein paar Worte sagen.

Meine Herren, Sie „bemühen“ sich dauernd um die Abschaffung des Kapitalismus; Sehen Sie sich aber an, was vorgeht: Der Kapitalismus schreitet voran und bemerkt Ihre „Bemühungen“ überhaupt nicht; Sie aber mit Ihren Idealen und Ihren guten Absichten kommen nicht von der Stelle. Was ist dabei Gutes? Weder für Sie noch für andere Menschen ist es von Nutzen! Wie kommt das? Das kommt daher, dass Sie Utopisten sind, dass Sie sich mit utopischen Plänen zu sozialen Reformen befassen und jene direkten und aktuellen Aufgaben nicht sehen, die vor Ihrer Nase liegen – entschuldigen Sie den Ausdruck! Denken Sie gut nach. Vielleicht werden Sie selbst sagen, dass wir recht haben. Im Übrigen werden wir mit Ihnen darüber noch reden können. Jetzt, aber: Dominus vobiscum! [21]

* * *

Anmerkungen

A. «Русское Вогатство» [Russkoje Bogatstwo], Buch l, 1895, Artikel «Лнтература и жизнь».

1. Ich sehe das Bessere und schätze es, dem Schlechteren folge ich!

2. die Vernunft schließlich immer recht behält.

3. Der Gedanke stammt aus einer Krylowschen Fabel.

4. ruhmreiche Krieger.

B. Wir zitieren nach der russischen Übersetzung von Herrn W. Tschischow (S. 191/192). [m]

C. Im dritten Heft der Russkaja Mysl setzt der Rezensent die Verteidigung seiner Ansicht fort, wobei er Andersdenkenden empfiehlt, „wenigstens“ einen Blick in die russische Übersetzung der Geschichte der neuen Philosophie von Überweg-Heinze zu werfen. Warum sollte der Rezensent nicht „wenigstens“ einen Blick in Hegel selbst werfen?

5. Figur aus Gogols Revisor.

D. «Русское Вогатство» [Russkoje Bogatstwo], Januar 1895, Abt. II, S. 140 bis 141.

6. Was dem Ochsen erlaubt ist, ist dem Jupiter (noch lange) nicht erlaubt. Dieses lateinische Sprichwort bringt Plechanow hier in ironischer Umkehrung; eigentlich heißt es: Quod licet Jovi, non licet bovi – Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen (noch lange) nicht erlaubt.

7. er nahm sein Material, wo er es fand.

E. Allerdings auf seine eigene Art, weshalb er im Jahre 1848 auch eine so klägliche Rolle gespielt hat. Zwischen dem Klassenkampf, wie er „später“ von Marx verstanden wurde, und dem Klassenkampf nach Louis Blanc klafft ein ganzer Abgrund. Ein Mensch, der diesen Abgrund nicht bemerkt, gleicht dem Weisen, der den Elefanten in der Tierschau übersehen hat.

8. Einfügung in der Auflage von 1905.

F. Als Idealist niedrigster Sorte (das heißt als Nicht-Dialektiker) hatte Louis Blanc natürlich seine eigene „Formel des Fortschritts“, die in ihrer ganzen „theoretischen Minderwertigkeit“ nicht schlechter war als die „Formel des Fortschritts“ von Herrn Michailowski.

9. Jeder nach seinem Geschmack!

G. Die Phänomenologie des Geistes, Vorrede, S. XXIII. [n]

H. Sollte Herr Michailowski übrigens erfahren wollen – wenigstens teilweise –, welche historische Bedeutung der „Metaphysik“ Hegels zukam, so können wir ihm die sehr populäre und zu ihrer Zeit sehr bekannte Broschüre Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel, den Atheisten und Antichristen empfehlen. Ein sehr schönes Büchlein!

10. Siehe G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Dritter Band, Stuttgart 1941, S. 506–534. Hier heißt es zum Beispiel: In der französischen Philosophie sind „in Ansehung der Erkenntnis sehr allgemeine oberflächliche Gedanken zu finden, abstrakte Gedanken – immer so gut und geistreicher als unsere –, die ihrem Inhalte nach konkret sein sollten und auch waren, aber so oberflächlich abgefasst wurden, dass sie ungenügend für das Abzuleitende waren ... allgemeine Redensarten, mit denen man Bücher anfüllen kann; sie zeigen sich auch bald sehr ungenügend“ (ebenda, S. 519).

I. Über den Materialismus bemerkt er übrigens: „Dennoch muss man in dem Materialismus das begeisterungsvolle Streben anerkennen, über den zweierlei Welten als gleich substantiell und wahr annehmenden Dualismus hinauszugehen, diese Zerreißung des ursprünglich Einen aufzuheben.“ (Enzyklopädie, Teil III, S. 54) [o]

11. Tschernyschewski.

12. die Vernunft schließlich immer recht behält.

13. Totenkopf; hier etwa: inhaltsloser Begriff.

J. Hegel, Enzyklopädie, Teil I, S. 79/80, § 44. [p]

K. Geschichte der Philosophie, I, 6. [q]

14. das ist der günstige Augenblick!

L. Sammelband «Помощъ голодающим», S. 207.

M. Unseren Gegnern bietet sich die günstige Gelegenheit, uns folgenden Widerspruchs zu überführen: Einerseits erklären wir Kants „Ding an sich“ zur leeren Abstraktion, anderseits zitieren wir lobend Setschenow, der von Dingen spricht, die an und für sich, unabhängig von unserem Bewusstsein existieren. Natürlich werden einsichtige Menschen hier keinen Widerspruch sehen; gibt es unter unseren Gegnern aber viele einsichtige Menschen?

N. Th. Huxley, «Hume. Sa vie, sa philosophie», p. 108.

15. Ich werde fortfahren, Unordnung zu schaffen: so fordert es die Sache.

16. führen heißt voraussehen.

O. „Unter mehreren hundert Untersuchungen statistischer und anderer Art, die während der letzten zwanzig Jahre oder annähernd in dieser Zeit durchgeführt wurden“, sagt Herr N–on, „sind wir auf keine Arbeiten gestoßen, deren Folgerungen in irgendeiner Hinsicht mit den ökonomischen Folgerungen der Herren Beltow, Struve und Skworzow übereinstimmen.“ Die Verfasser jener Untersuchungen, die Sie, Herr N–on, meinen, ziehen gewöhnlich zwei Schlüsse; der eine stimmt mit der objektiven Wahrheit überein und besagt, der Kapitalismus entwickele sich, während die alttestamentarischen „Stützen“ fallen; der zweite ist „subjektiv“ und besteht darin, dass man die Entwicklung des Kapitalismus aufhalten könnte, wenn usw. Zur Bestätigung dieser letzten Folgerung werden jedoch niemals irgendwelche Angaben angeführt, so dass sie völlig unbegründet bleibt, ungeachtet des größeren oder geringeren Reichtums an statistischem Material, das diese Untersuchungen ausschmückt. Die Essays des Herrn N–on weisen die gleiche Schwäche auf, sie leiden unter einer Anämie der „subjektiven“ Folgerung. In der Tat, welche „Analyse“ bestätigt den Gedanken des Herrn N–on, unsere Gesellschaft sei schon jetzt imstande, die Produktion zu organisieren? Eine solche Analyse fehlt.

P. Das Buch des Herrn P. Struve erwähnen wir gar nicht, weil es Herrn N–on unangenehm ist. Aber Herr N–on tut entschieden Unrecht, wenn er dieses Buch als völlig unbrauchbar bezeichnet. In einer Diskussion mit Herrn N–on wird sich Herr Struve gut verteidigen können. Was aber die eigene „Analyse“ des Herrn N–on betrifft, so wird von ihr, bis auf einige Gemeinplätze, nichts übrigbleiben, wenn sie von Marx’ Standpunkt aus „analysiert“ wird. Man muss hoffen, dass diese Analyse nicht lange auf sich warten lassen wird.

17. Anspielung auf Goethe, Zahme Xenien: „Vom Vater hab’ ich die Statur ..., vom Mütterchen die Frohnatur ...“ [r]

18. Производителъ (Produzent) wird auch im Sinne von Zuchthengst gebraucht.

Q. Ich erinnere an die oben angeführten Worte Feuerbachs, dass gerade der Standpunkt den Menschen vom Affen unterscheidet. [Fußnote zur Auflage von 1905.]

19. Die Unwissenheit ist der Wahrheit minder fern als das Vorurteil.

20. Sentenz aus der Fabel Der Bärendienst von Krylow.

21. Der Herr sei mit euch!


Zuletzt aktualiziert am 17. Mai 2025